Montag, 28. Dezember 2015

Das METROPOLIS Kino Hamburg im Januar 2016: Unsere Tipps!



“If I have a reputation for being difficult, it’s because I love the everyday and want to present it. In general people go to the movies precisely to escape the everyday.” Chantal Akerman (in einer Hommage im Januar-Programm vertreten)

Das Jahr 2015 endete im METROPOLIS fein, das Jahr 2016 beginnt ebenso. So freuen wir uns, am 13.1. das DaF-Jahr mit dem spannenden und auch sehr aufschlussreichen Politthriller DIE LÜGEN DER SIEGER beginnen zu können. Christoph Hochhäuslers aktueller Film beschäftigt sich mit der Macht der Lobbyisten und der Manipulation der Presse, die sich Letztere wohl viel zu oft gefallen lässt.

„Es gibt immer weniger Korrespondenten und investigative Journalisten. Die sind in der Debatte extrem wichtig. Heute ist der deutsche Pressemarkt so breit gefächert und gleichzeitig so lächerlich verengt. 95 Prozent der Journalisten verwenden vielleicht nicht dieselben Worte, aber es ist derselbe Tenor. So entstehen die Spurrillen der deutschen Meinung. Und wenn dann doch einmal jemand einen anderen Ton anschlägt, hält das niemand wirklich gut aus.“ Regisseur Christoph Hochhäusler im CICERO-Interview


Mehr Infos zum Film sowie den Trailer erhalten Sie in diesem Blogpost. Schauen Sie auch gern dieses Video an, in dem sich Marc Uwe Kling anlässlich des 10. Geburtstags von LOBBY CONTROL mit dem Känguru über Lobbyismus und den neuen Todesstern austauscht. 
Ob und welche Lobbyisten an der Filmauswahl für das FUTURALE FILMFESTIVAL, das durch 25 deutsche Städte tourt und im Januar vom 14. bis zum 20. auch im METROPOLIS haltmachen wird, beteiligt waren, wissen wir nicht. Das Festival ist Teil des Dialogprozesses Arbeiten 4.0, den das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit dem Grünbuch Arbeiten 4.0 im April 2015 begonnen hat. Es geht um Fragen wie: Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? Und welche Spielregeln braucht es dafür? Nach den Filmvorführungen stehen jeweils Experten den Besuchern im Kinosaal für hoffentlich anregende Diskussionen zur Verfügung. In den Filmen geht es um You Tuber, digitale Nomaden, 3D-Technologie, Roboter als Pflegekräfte, wunderbare Arbeitsplätze, die Bedeutung von Arbeit heute und Start-ups in Israel. Mehr Infos gibt es beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

In jedem Fall kritisch setzen sich die Filme IN DIR MUSS BRENNEN (D 2009, Regie: Katharina Pethke) und WORK HARD PLAY HARD (D 2011, Regie: Carmen Losmann) in der Reihe dokART mit dem Thema Arbeit auseinander. Die Termine sind der 4.1. (Katharina Pethke wird zu Gast sein) und 27.1., jeweils um 21.15 Uhr. Alles Weitere zu diesen Filmen finden Sie auf der Webseite von dokART.

Am 5. Oktober 2015 verstarb die belgische Filmregisseurin Chantal Akerman, die als Pionierin des feministischen Kinos und als große Film-Avantgardistin gilt und in ihrem Werk immer wieder mit filmischen Tabus brach. Das METROPOLIS widmet ihr eine Hommage mit den Filmen TOUTE UNE NUIT (B 1982), UN DIVAN À NEW YORK (F/BRD/B 1996), NO HOME MOVIE (B/F 2015) sowie JEANNE DIELMAN, 23 QUAI DU COMMERCE – 1080 BRUXELLES (B 1975). Mehr Infos zu den Filmen und die Spieltermine finden Sie auf der Themenseite des METROPOLIS unter dem Titel HOMMAGE AN CHANTAL AKERMAN.

Sehr lesenswert ist dieser Artikel über die Filme von Chantal Akerman auf der Webseite vom BFI. Und Adam Cook hat sich in einem Videoessay mit der „Action“ in Akermans Film JEANNE DIELMAN auseinandergesetzt, zu finden bei PRESS PLAY.

Außerdem würdigt das METROPOLIS im Januar den bedeutenden deutsch-französischen Film-, Theater- und Hörspielregisseur Max Ophüls mit den Filmen DIE VERLIEBTE FIRMA (D 1932), DIE VERKAUFTE BRAUT (D 1932), LIEBELEI (D 1932), LACHENDE ERBEN (D 1932), KOMÖDIE UMS GELD (NL 1936) und DE MAYERLING À SARAJEVO (F 1939/40). Die Retrospektive wird im Februar fortgesetzt.

"Ophuls is, like all great directors, inimitable, and if all the dollies and cranes in the world snap to attention when his name is mentioned, it is because he gave camera movement its finest hours in the history of the cinema." Andrew Sarris (The American Cinema, 1968). Auch der Regisseur Paul Thomas Anderson ist schwer begeistert von Ophüls Arbeit.

Am 12.12.2015 wäre „die Stimme Amerikas“, Frank Sinatra, 100 Jahre alt geworden. Doch selbstverständlich war Sinatra auch Schauspieler. Das METROPOLIS erinnert mit mehreren Filmen an Sinatra als Darsteller, dabei u.a. FROM HERE TO ETERNITY (USA 1953, Regie: Fred Zinnemann). Sinatra erhielt für seine Darstellung den Oscar als Bester Nebendarsteller. Alle weitere Filme und deren Termine gibt es auf der Themenseite des METROPOLIS. 
Einen weiteren Klassiker des US-amerikanischen Kinos zeigt das METROPOLIS als NEUJAHR-SPEZIAL. Freuen Sie sich auf ein Wiedersehen mit David Leans DOKTOR SCHIWAGO (USA 1965). Der Film wird am 1.1. um 17.00 Uhr in seiner deutschen Fassung auf 35mm vorgeführt. Um die 197 Minuten ohne Probleme durchzustehen, wird es eine Pause geben.

Und einen weiteren Geburtstag gilt es im Januar zu feiern: Am 2.1.1896 wurde der sowjetische Dokumentarfilmer Dziga Vertov geboren. Das METROPOLIS widmet ihm die Reihe LANG LEBE DZIGA VERTOV! und zeigt seine Filme EIN SECHSTEL DER ERDE (SU 1926) und DREI LIEDER ÜBER LENIN (SU 1934) sowie die Dokumentation IM LAND DER KINOVETERANEN – FILMEXPEDITION ZU DZIGA VERTOV (D 1996). Die Filmemacher Thomas Tode und Rasmus Gerlach werden zu Gast sein (Termin: 26.1. um 21.15 Uhr).

Sehr schön auch, dass es im Januar im METROPOLIS Kino HIGHLIGHTS 2015 geben wird. Es ist eine tolle Chance, Filme, die man gern gesehen hätte, aber verpasst hat, nachzuholen. Und die Auswahl verspricht viele anregende Kinostunden: AMY (GB 2015, Asif Kapadia), NATIONAL GALLERY (USA/F/GB 2014, Frederick Wiseman), TAXI TEHERAN (Iran 2015, Jafar Panahi), A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT (USA 2014, Ana Lily Amirpour), STILL THE WATER (F/JPN/ESP 2014, Naomi Kawase) und DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER (D 2015, Lars Kraume).

Die Reihe KINOFILMGESCHICHTE befasst sich am 11.1. um 19.00 Uhr mit EDUCATE GERMAN BY FILM – FILM ALS INSTRUMENT DER RE-EDUCATION. Nach der militärischen Niederlage im Zweiten Weltkrieg sollte Deutschland durch die Alliierten entnazifiziert und demokratisiert werden. Dazu dienten u.a. auch Filme als pädagogische und propagandistische Medien. Die zunächst zu diesem Zweck gezeigten Filme handelten von der Befreiung der Konzentrationslager und verfolgten den Zweck, (nicht nur) Deutschland über die Verbrechen der NS aufzuklären. Thomas Thode wird am 11.1. zu diesem Thema referieren und es werden verschiedene Kurzfilme gezeigt. Sehr empfehlenswert!

Wer sich näher mit diesem Thema beschäftigen möchte, den verweisen wir auf die Webseite der Brandenburgischen Zentrale für politische Bildung.

Folgende Zitate haben wir dort entnommen.

Siegfried Kracauer meinte 1949 zur Re-education: „Jede wirksame Mobilisierung des deutschen Anstands muss mit einem Wechsel von Denkgewohnheiten, die Jahrhunderte alt sind, einhergehen.“

Die französische Zeitung „Le Monde“ zog ein Zwischenresümee der Filmpolitik der Besatzungsmächte in Deutschland:
„Der Film, das wunderbare Propagandainstrument, wird von den Besatzungsmächten nicht in gleich Weise nutzbar gemacht. Manche unterschätzen ihn in ihrer Entnazifizierungspolitik. Freilich stellt sich eine Anwendung als delikat heraus: die Filme über die Konzentrationslager sind bei den Deutschen, die die grobschlächtige Goebbelspropaganda ohne Wimpernzucken hinnahmen, nur auf höfliche Gleichgültigkeit gestoßen. Aber die Produktion von Tatsachenfilmen und die Vorführung einer Auswahl der besten alliierten Filme werden zweifellos eine tiefgreifende Wirkung auf ein Volk ausüben, das sicherlich noch reaktionsfähig ist. Es ist eine Frage des Taktes und des Fingerspitzengefühls.“
(In: Pressedienst, 13.12.1947, Bundesarchiv, DR 2/631)

Mit diesen Tipps haben wir das Januar-Programm des METROPOLIS Kino natürlich keineswegs abgedeckt. Schauen Sie sich gern auf der Themenseite des Kinos um, dort werden Sie weitere Programmhighlights entdecken. Wir möchten abschließend noch auf die Premieren hinweisen, die da wären: EPHRAIM UND DAS LAMM von Yared Zeleke, WINTERGAST (Schweiz 2015) von Andy Herzog und ganz besonders auf Godehard Gieses DIE GESCHICHTE VOM ASTRONAUTEN (D 2015). 
Wir wünschen Ihnen ein gesundes neues Jahr und ein wundervolles Kino-Jahr 2016! Im Januar fängt es ja filmisch schon sehr vielversprechend an.
 Silvester


Daß bald das neue Jahr beginnt,
spür ich nicht im geringsten.
Ich merke nur: Die Zeit verrinnt
genauso wie zu Pfingsten.

Die Zeit verrinnt. Die Spinne spinnt
in heimlichen Geweben.
Wenn heute nacht ein Jahr beginnt,
beginnt ein neues Leben.

Joachim Ringelnatz