Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg muss der Jugendliche
Siggi Jepsen (Tom Gronau) in einer Besserungsanstalt vor den Toren Hamburgs
einen Aufsatz zum Thema „Freuden der Pflicht“ verfassen. Im Unterricht findet
er keinen Anfang für seinen Aufsatz, daher wird ihm auferlegt, die Aufgabe in
Einzelhaft zu erfüllen. Dort beginnt Siggi zu schreiben, Gegenstand seines
Aufsatzes werden die Kindheitserinnerungen an seinen Vater (Ulrich Noethen),
einem Dorfpolizisten in Nordfriesland an der Nordseeküste, der während der Zeit
des Nationalsozialismus das Malverbot für seinen Jugendfreund Max Ludwig Nansen (Tobias Moretti) überwachen soll und
der diese Pflicht gewissenhaft erfüllt und nicht hinterfragt. Als Siggi (Levi
Eisenblätter) beginnt, sich auf die Seite des Malers zu stellen und er gar
dessen Gemälde versteckt, damit diese nicht beschlagnahmt werden können, gerät
er mehr und mehr zwischen die Fronten seines strengen Vaters und des Malers,
der ihm wie ein zweiter Vater ist.
Der Film DEUTSCHSTUNDE ist die erste
Verfilmung des gleichnamigen Romans von Siegfried Lenz (1968) für das Kino und
ein beeindruckendes Drama über den Widerspruch zwischen Pflichterfüllung und
Menschlichkeit.
Erinnern möchten wir daran, dass Siegfried Lenz in seinem
Roman DEUTSCHSTUNDE die Figur des Malers Max Ludwig
Nansen an den expressionistischen Maler Emil Nolde angelehnt hatte, der
obgleich seine Gemälde von den Nationalsozialisten als entartet eingestuft
wurden, stets Parteimitglied der NSDAP blieb. Nolde selbst gelang es nach dem
Zweiten Weltkrieg, sich als Opfer des Nationalsozialismus darzustellen. Als
Siegfried Lenz 1968 seinen Roman DEUTSCHSTUNDE veröffentlichte, war ihm Noldes
unrühmliche Vergangenheit so sicherlich nicht bewusst. Der Maler Max Ludwig
Nansen muss somit sowohl im Roman als auch im Film von Christian Schwochow als
rein fiktive Figur eingestuft werden, er entspricht nicht der realen Person
Emil Nolde.
Das Schicksal eines einzelnen Malers ist
jedoch auch nicht das Thema der DEUTSCHSTUNDE. Vielmehr geht es um die
unbedingte und nicht hinterfragte Pflichterfüllung. Schon Immanuel Kant
beschrieb in seiner Metaphysik der Sitten die Pflicht als Tugend und die
Pflichterfüllung mit Disziplin, Fleiß und Pünktlichkeit gehörte zum preußisch-deutschen
Tugendkanon. Den Filmemachern Christian Schwochow (Regie) und Heide Schwochow
(Drehbuch) geht es in ihrem Film um die ethisch-moralische Auseinandersetzung
mit dem Pflicht- und Verantwortungsbegriff, ein Thema, das keineswegs auf die Vergangenheit
beschränkt werden kann.
„Wie der Roman vermittelt auch die
Film-"Deutschstunde" eindeutig, wo die "Grenzen der
Pflicht" liegen. Die Atmosphäre des Buchs hat Christian Schwochow in
wuchtigen Naturbildern eingefangen. Das Psycho-Duell der Schauspiel-Koryphäen
ist packend. Bestnote also für seine gelungene Literaturverfilmung." NDR
Text:
Regina Nickelsen (Colón Language Center)
DaF im METROPOLIS Kino Hamburg am 13.11.2019 (19:15):
DEUTSCHSTUNDE
Deutschland 2019
Regie: Christian Schwochow
Lauflänge: 125 Min.
Trailer
und Fotos: © Wild Bunch Germany