Die Fotos stammen von der Premiere des Films HARTs 5 im Berliner Babylon Kino
Interview mit dem Regisseur Julian Tyrasa zum Film HARTs 5 – Geld ist nicht alles
(DaF
im METROPOLIS Kino Hamburg am 14.05.2014 um 19 Uhr)
Filmteam
Colón
HARTs
5 ist Ihr erster Langspielfilm. Was hat Sie zu dieser „Underdog-Story“ mit den
vier Freunden, die einen recht aussichtslosen Kampf gegen die Gentrifizierung,
im Film in Form des schwäbischen Investors Dr. Siebold, bewogen?
Julian Tyrasa
Ursprünglich mein damaliger Wohnort: Ich lebte damals
mitten in Prenzlauer Berg und erlebte die Auswirkungen der Gentrifizierung
täglich vor meiner Haustür. Alles, was mir um die Jahrtausendwende an dem
Bezirk so gut gefallen hatte – ein lässiger, improvisierter Lebensstil mit
ebensolchen Bewohnern und Läden – verschwand immer mehr; stattdessen kamen
durchgestylte Designershops und Luxus-Neubauten, deren Eigentümer als erstes
alle Clubs und Kneipen wegklagten, wenn die ihre Ruhe störten. Ich bin 2001 ja
auch zugezogen, aber weil ich das Leben dort toll fand und teilhaben wollte. In
den vergangenen Jahren haben viele Neu-Berliner offenbar das Ziel, alles so zu
verändern, bis es aussieht wie da, wo sie herkommen. Erstaunlich. Und
erschreckend, dass sie es fast geschafft haben! Heute weht da ein ganz anderer,
kälterer Wind. Das gilt ja leider gesamtgesellschaftlich, aber im Prenzlauer
Berg konnte man das konzentriert wie unter einer Lupe beobachten. Deshalb sind
meine Freundin und ich auch vor zweieinhalb Jahren, kurz nach Beendigung der
Dreharbeiten, weggezogen. Sozusagen zum Abschied wollte ich mit HARTs 5 aber
noch eine Liebeserklärung an all die Lebenskünstler schaffen, die den Kiez
einst so lebendig gemacht hatten.
Der
Titel HARTs 5 erinnert sicherlich nicht rein zufällig an das Hartz-Konzept.
Warum haben Sie diesen Titel für Ihren Film gewählt?
Zum einen, weil die Protagonisten ziemlich kämpfen müssen
für Ihr Geld. Ob sie wirklich Hartz IV beziehen oder nicht, wird nie explizit
gesagt, aber dass sie trotz harter Arbeit finanziell nicht besonders gut
dastehen, ist offensichtlich. Aber sie lassen sich nicht unterkriegen –
insofern soll HARTs 5 in mehrerlei Hinsicht eine (märchenhafte) Alternative zu
Hartz IV darstellen! Wie es der Untertitel sagt: Geld ist nicht alles. Eine
weitere, in diesem Zusammenhang recht skurrile Anspielung des Titels bezieht
sich auf OCEAN’s ELEVEN – so wie es dort die elf Männer um Danny Ocean sind,
sind es bei mir die fünf Unterstützer von Tobias Hart.
Sie
haben den Film mehr oder weniger im Alleingang realisiert. Welche Arbeiten
haben Sie dabei selbst ausgeführt?
Mehr als mir lieb war: Neben den angenehmen Tätigkeiten
wie Drehbuch, Regie, Schnitt und Komponieren der Filmmusik habe ich den Film
quasi ohne Geld auch selbst produziert – das heißt, am Ende des Drehtags musste
ich dann auch noch die Dispos für den nächsten Tag überarbeiten und
verschicken, die Drehorte anrufen, Catering bestätigen usw. Rückblickend muss
ich sagen: Das war ziemlich viel – eigentlich zu viel.
Wie
haben Sie Ihre tollen Darsteller gefunden?
Schon die Frage freut mich, denn ich finde die Darsteller
auch durch die Bank wunderbar! Mit einigen von ihnen hatte ich schon
gearbeitet, mit anderen wollte ich es schon lange; und den Rest (ca. ein
Drittel der Besetzung) habe ich ganz klassisch über Internet oder Agenturen
gecastet. Zum Glück hatten alle Lust, dabei zu sein, obwohl es ja erstmal kein
Geld gab, sondern alles über Rückstellungsverträge läuft – das heißt, sobald
der Film Gewinn macht, wird der unter allen Mitwirkenden verteilt.
Die
Filmproduktion hat weniger als 5000 € gekostet, Kosten, die Sie unseres Wissens
selbst getragen haben. Wie kommt man mit einer so kleinen Summe aus? Wo haben
Sie überall Abstriche machen müssen? Denn das Ergebnis ist ja trotz dieses
kleinen Budgets sehr respektabel.
Zuerst einmal: Vielen Dank! – Ja, die größten Abstriche
habe ich ja eben schon erwähnt: Keiner der Beteiligten hat Geld bekommen. Die
5000 € flossen komplett in Technik, Transporte, Catering und kleine Präsente
für alle Unterstützer (denn für Drehorte konnten wir natürlich auch keine
reguläre Miete zahlen). An zwei Stellen musste ich das Drehbuch umschreiben,
weil wir Drehorte nicht gekriegt haben – aber ansonsten haben wir uns alle sehr
bemüht, nur da zu sparen, wo der Zuschauer es nicht sieht. Das Schöne daran:
Man wird zur Kreativität regelrecht gezwungen – und es ist ein tolles Gefühl,
wenn man am Ende des Tages dann doch wieder gute Lösungen für scheinbar
ausweglose Situationen gefunden hat.
Die
meisten unabhängigen Filmemacher dürften kaum von Ihrer Arbeit als Filmemacher
leben können. Womit verdienen Sie Ihr Geld?
Mit berufsnahen Tätigkeiten: Auftragsarbeiten als
(Drehbuch-)Autor, Drehen und Schneiden von Werbefilmen, Komponieren von
Filmmusik, und zunehmend auch als Theaterautor und –regisseur – allerdings ist
das eher der Versuch, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, denn die
Verdienstmöglichkeiten am Theater halten sich ja (außer an großen Bühnen) auch
ziemlich im Rahmen... vor einem Jahr aber haben meine Freundin Karoline Hugler
(auch in HARTs 5 zu sehen) und ich die künstlerische Leitung des kleinen freien
Theaters COMÉDIE SOLEIL in Werder (Havel) (nahe Potsdam) übernommen und
versuchen seitdem, den Spagat zwischen künstlerischer Entfaltung und
finanziellem Überleben zu meistern...
Im
Jahr 2005 sind Sie als deutscher Pianist mit argentinischem Tango durch Japan
getourt. Können Sie das ein wenig näher beschreiben?
Ja, das sollte man wohl... Ich spielte damals in einem
Tangoquartett, das sich ganz auf die großartige Musik von Astor Piazzolla
spezialisiert hatte. Für ein Konzert in Berlin war dann die japanische
Tango-Sängerin Anna Saeki auf der Suche nach einer Begleitband – das wurden
wir, und nachdem das Konzert prima gelaufen war, hat uns ihr Manager angeboten,
Anna Saeki auf ihrer nächsten Tournee durch Japan zu begleiten – für unser
Quartett mit Abstand das größte Publikum, vor dem wir je gespielt hatten! Eine
verrückte, ganz außergewöhnliche Erfahrung, die ich später mal als Anekdote
meinen Enkelkindern erzählen kann: „Als Opa 33 war, hat er in Hiroshima vor
1.700 Zuhörern Klavier gespielt“ – ich kann mir das heute selbst kaum mehr
vorstellen.
Haben
Sie einen Rat an alle jungen Menschen, die sich ihren Traum, einen Film zu
machen, erfüllen möchten?
Egal, ob der Traum ein Film ist oder etwas anderes: Auf
jeden Fall immer MACHEN!! Unbeirrt! Nicht auf angeblich kluge und vernünftige
Ratschläge hören, die einen doch nur von etwas abbringen wollen – von dieser
Sorte Mensch gibt es sehr viele. Aber Menschen, die ihren Traum allen Bedenken
zum Trotz verwirklichen, gibt es viel zu wenige. Immer dran denken: Man lebt
nur einmal.
Wir
unterrichten ja bei uns am Sprachinstitut Deutsch als Fremdsprache in der
Erwachsenenbildung, haben es also mit Menschen aus der ganzen Welt zu tun, die
hier in Deutschland studieren möchten bzw. hier ihre neue Heimat gefunden
haben, sich aber beruflich oft völlig neu orientieren und teils von vorn
anfangen müssen. Gibt Ihr Film HARTs 5 auch diesen Menschen eine Botschaft mit
auf den Weg?
HARTs 5 will ja allen Menschen Mut machen, nie aufzugeben
und selbst unmöglich erscheinende Aufgaben anzugehen! Ich habe dem Film das
berühmte Zitat von Erich Kästner vorangestellt: „Es gibt nichts Gutes, außer:
Man tut es.“, und daran glaube ich. Und HARTs 5 beweist es zum Glück auf
mehreren Ebenen: Ein Film, der quasi ohne Geld und ohne namhafte Stars
entstanden ist, von keiner Filmförderung und keinem Fernsehsender unterstützt –
und er hat schließlich doch einen Kinoverleih und viele begeisterte Zuschauer
gefunden. Also: Wenn man nur fest an etwas
glaubt und unbeirrt und hartnäckig daran festhält, dann kann man vieles
erreichen.
Wir
bedanken uns ganz herzlich für diese interessanten Aussagen und freuen uns sehr
auf HARTs 5 am 14. Mai in unserer Filmreihe DaF im METROPOLIS Kino Hamburg. Und
wir wünschen Ihnen viel Erfolg für Ihre berufliche (filmische) Zukunft! Sehr
gern würden wir wieder einen Film von Ihnen in unserer Filmreihe zeigen können.