Ein Blog vom Filmteam Colón des Colón Language Centers Hamburg (Deutschland). Schwerpunkt: Kino in Hamburg, deutschsprachiger Film, Filmreihe DaF: Deutsch als Fremdsprache - Deutsch als Filmsprache (einmal monatlich im Metropolis-Kino Hamburg)
Aus dem neuen
Bericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change):
SPM.D.5.3 "The cumulative scientific evidence is unequivocal: Climate change is a threat
to human well-being and planetary health. Any further delay in concerted
anticipatory global action on adaptation and mitigation will miss a brief and
rapidly closing window of opportunity to secure a liveable and sustainable
future for all. (very high confidence)."
Das Jahr 2020, so filmreif die Geschehnisse um die
Corona-Pandemie auch sein mögen, wird auch in der gesamten Filmbranche, seien
es Filmproduzenten, Filmverleiher, Filmemacher oder Filmtheater, deutliche
Spuren hinterlassen. Es gilt, sich den neuen Gegebenheiten so weit wie möglich
anzupassen und neue Wege zu beschreiten. Das mag man bedauern, doch es liegt in
der Krise auch eine Chance.
Verschiedene Filmfestivals haben neue Pfade ausgelotet
und waren oder sind nur virtuell zu besuchen. Die wohl sinnvollste Durchführung
erscheint mir derzeit allerdings die in hybrider Form zu sein. Die
Lichtspielhäuser sind wieder geöffnet und bieten selbstredend weiterhin den
größten Filmgenuss. Da diese aber durch die Abstandsregeln derzeit nicht voll
ausgelastet werden können, ist es naheliegend, einen Teil der Tickets für
Plätze im virtuellen Kinosaal anzubieten. Auf diesem Wege lassen sich auch
Filminteressierte erreichen, für die eine Anreise in den Festivalort nicht
möglich ist.
Das Internationale Filmfest Oldenburg geht in diesem Jahr
(16.9. – 20.9.) genau diesen Weg, mit der Besonderheit, dass die Streams im
virtuellen Kinosaal zeitgleich mit der physischen Vorführung laufen (also live
gestreamt werden), was das Festivalfeeling im heimischen Wohnzimmer erhöhen
dürfte. Es werden vierzehn Weltpremieren sowie diverse Internationale Premieren
geboten.
Das Programm 2020 ist wie immer einfach wundervoll. Es
lässt sich kaum ein Film herausheben, ich „fürchte“, sie alle lohnen das
Ansehen. Neben vielen Indie-Perlen gibt es auch ein paar „größere“ Filme zu
entdecken oder wiederzuentdecken wie beispielsweise die 25th Anniversary
Remastered Edition des französischen Meisterwerks LA HAINE (F 1995, Mathieu
Kassovitz).
Eröffnet wird das Filmfestival am 16.9. (19:00) mit der
Welt-Premiere von PUPPY LOVE (CAN 2020, Michael Maxxis), der
nach Angabe des Filmfests verrücktesten Liebesgeschichte des Kinojahres 2020. Film
und Eröffnungsgala sind nur im virtuellen Kino verfügbar und offenbar schon
alle „Plätze“ dafür verkauft. Vielleicht legen die Festivalmacher ja nochmals
nach (oben auf den Filmtitel klicken, dann gelangt man zur Filmseite mit Link
zum Ticketverkauf).
Still aus PUPPY LOVE
In Ben Epsteins Langfilm-Regiedebüt BUCK ALAMOgeht
der singende Cowboy Eli Cody (mit dem Künstlernamen Buck Alamo) auf eine letzte
Reise voller Musik, Melancholie und Lebensfreude. Amerikas Traum liegt in
diesem Film in seinen letzten Zügen (wie das Leben Eli Codys), aber der Traum
lebt tief in den Herzen der Menschen weiter.
Still aus BUCK ALAMO
Amerikanische Albträume werden in Miguel Silveiras Paranoia-Thriller
AMERICANTHIEF erschreckende Realität. Eine geheime Verschwörung soll die
US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2016 zum Scheitern bringen.
Still aus AMERICAN THIEF
Meine beiden ganz besonderen Tipps für das diesjährige
Filmfest Oldenburg betreffen jedoch keine Filme aus den USA, wenngleich ich ein
großer Fan des US-amerikanischen Independent-Films bin. Ganz großes poetisches
Kino erwarte ich bei UNTIMELY(Iran 2019, Pouya Eshtehardi) mit einem ungewöhnlichen Bild des ländlichen Iran
und THE LONGWALK(LAO 2020, Mattie Do), ein filmisches Gedicht über die Unendlichkeit in einer
Welt zwischen Schmerz und den Geistern der Vergangenheit.
Weil ja gerade in einem Jahr wie diesem nicht so häufig
Freude aufkommt, sei hier noch THE JESUS ROLLS(USA
2020, John Turturro) empfohlen, ein Remake des französischen Films LES VALSEUSES von Bertrand Blier (1974)
und gleichzeitig ein Spin-Off des Kultfilms THE BIG LEBOWSKI der Coen-Brüder (USA 1998).
Still aus THE JESUS ROLLS
Die Retrospektiveist
dem New-Hollywood-Regisseur William Friedkin gewidmet, gezeigt werden seine
Filme KILLER JOE (USA 2011), SORCERER (USA 1977), THE EXORCIST, Director‘s Cut (USA 1973),
THE FRENCH CONNECTION (USA 1971), THE PEOPLE VS. PAUL CRUMP (USA 1962)
und TO LIVE AND DIE IN L.A. (USA
1985). Friedkin wird nicht vor Ort sein, aber per Live-Schaltung wird er dann
doch irgendwie dabei sein, wie die Nordwest Zeitung berichtet. Diese Form der
Anwesenheit ist im Jahr 2020 ja schon das neue „Normal“.
Still aus KILLER JOE
Auch die Gala-Premieren mit Filmemachern als Gästen werden
2020 in neuer, aber äußerst sympathischer Form dargeboten, nämlich in privaten
Wohnzimmern. Schön, wie mit dieser „Notlösung“ (die keine ist) die
Verbundenheit des Festivals mit den Menschen und dem Ort Oldenburg unter Beweis
gestellt wird. Der Rote Teppich wird dabei übrigens auch zum Einsatz
kommen.
Das komplette Programm des Internationalen Filmfest
Oldenburg ist hierzu
finden. Durch den Klick auf die einzelnen Filme gelangt man zu mehr
Informationen, den Trailern und den Links zum Ticketkauf.
Ich freue mich auf dieses tolle Filmfestival und bin sehr
dankbar dafür, dass in Deutschland (und dann auch noch in Norddeutschland) so
ein feines Filmfest mit dem Schwerpunkt auf Independent-Produktionen
existiert.
Die britische Autorin Judith Kerr wurde 1923 in Berlin
geboren, 1933 musste ihre jüdische Familie aus dem nationalsozialistischen
Deutschland fliehen. Zunächst lebte die Familie kurzzeitig in der Schweiz, dann
bis 1935 in Frankreich und schließlich in England, wo Judith Kerr 1971 ihren
ersten autobiografischen Roman ALS
HITLER DAS ROSA KANINCHEN STAHL (WHEN HITLER STOLE PINK RABBIT) veröffentlichte.
Oscar-Preisträgerin Caroline Link (Oscar für NIRGENDWO IN AFRIKA im Jahr 2003) hat
diesen Roman nun fürs Kino verfilmt.
Der Film umfasst wie auch der Roman die Jahre 1933 bis
1935. Zu Beginn lebt die neunjährige Anna (Riva Krymalowski) mit ihrem Bruder
Max (Marinus Hohmann), ihrer Mutter Dorothea (Carla Juri) und ihrem Vater Arthur
Kemper (Oliver Masucci), einem bedeutenden Theaterkritiker und Schriftsteller,
in Berlin. Es ist kurz vor der Reichstagswahl im März 1933. Noch bevor Hitler
die Wahl gewinnt, verlässt Arthur Kemper Deutschland und geht nach Prag, da er
im Falle der Machtübernahme der Nationalsozialisten mit einer Verhaftung
rechnen muss. Später geht die gesamte Familie ins Exil. Für die beiden Kinder
beginnt zunächst in der Schweiz und dann in Paris eine Zeit, die geprägt ist durch
Abschied, Heimweh nach Berlin, Gefahr, materielle Not, Begegnungen mit Fremden,
Verständigungsschwierigkeiten, eine neue Sprache, aber auch durch neue Freunde,
etliche Abenteuer und Hoffnung.
„In
seiner klaren, direkten Bildsprache, (…) ist "Als Hitler das rosa
Kaninchen stahl" ein Glücksfall. "Es war mir wichtig,
die Geschichte nicht künstlich zu dramatisieren", hat die Regisseurin Link
über ihren Film gesagt. (…) Gerade deshalb erzählt ihr Film auf bewegende, zeitlos
aktuelle Weise von einer Welt, in der sehr viele Menschen aus finsteren Gründen
zur Flucht durch die halbe Welt gezwungen sind.“ SPIEGEL
„Von
Caroline Link neu und brillant verfilmt: Judith Kerrs Kinderbuch "Als
Hitler das rosa Kaninchen stahl".“ DIE ZEIT
Wir vermuten, dass viele Menschen diesen großartigen und
ganz besonderen deutschen Film im Jahr 2019 verpasst haben. Das kann und sollte
nicht so bleiben, deshalb freuen wir uns sehr, Mariko Minoguchis magische und
bewegende „Relativitätstheorie“ der Liebe, MEIN
ENDE. DEIN ANFANG., am 19.2.2020 (19:00) in unserer Filmreihe DaF im
Metropolis Kino Hamburg zeigen zu können.
Mariko Minoguchi, die auch das Drehbuch zum Film verfasst
hat, erzählt auf drei Zeitebenen davon (eine a-chronologisch), wie vielleicht
nichts dem Zufall entspringt, sondern alles vorbestimmt ist. Nora (Saskia Rosendahl) und der junge Physiker Aron (Julius
Feldmeier) begegnen sich in einer Berliner U-Bahn. Es ist für beide Liebe
auf den ersten Blick und sie werden ein Paar. Doch eines Tages wird ihr Glück
jäh beendet, als Aron bei einem Banküberfall von einem der Bankräuber getötet
wird und in Noras Armen stirbt. Nora ist wie betäubt vor Trauer, nur Natan (Edin
Hasanović), ebenfalls eine Zufallsbekanntschaft, vermag ihr etwas Halt zu
geben. Doch auch Natan trägt ein schweres Schicksal mit sich, seine kleine
Tochter ist schwer krank.
Am Ende (der Anfang?) fügt sich alles zusammen, denn
nichts ist Zufall, sondern alles vorherbestimmt. „Alles ist für immer. Zufälle
sind nur ein Mangel an Information.“ (Aron im Film)
„Einer
der besten Filme des Jahres 2019 kommt aus Deutschland!“ Programmkino
„Ein
fulminantes Spielfilmdebüt, ein selten intensives Kinoerlebnis.“ DER SPIEGEL
„Ganz großes Deutsches Kino, irgendwo zwischen der
Experimentierfreudigkeit eines Christopher Nolan und der Intimität eines Mikhaël
Hers. So geht Stilbruch auf der Leinwand!“ Wessels Filmkritik
Der Musical-FilmICH WAR NOCH
NIEMALS IN NEW YORKwar derGute-Laune-Film des Jahres 2019 und mit fröhlicher
und beschwingter Laune möchten wir mit euch ins DaF-Jahr 2020 starten.
Die viel beschäftigte und berühmte Fernsehmoderatorin Lisa
Wartberg (Heike Makatsch) hat keine Zeit für einen Geburtstagsbesuch bei ihrer
Mutter (Katharina Thalbach), woraufhin diese allein feiert, dabei in ihrer
Küche stürzt und sich danach an nichts mehr erinnern kann, außer dass sie noch
niemals in New York war. Also macht sie sich auf den Weg zum Hamburger Hafen
und schmuggelt sich auf ein Kreuzfahrtschiff. Als ihre Tochter und deren Visagist
Fred (Michael Ostrowski) sie zurückholen wollen, legt das Schiff mit allen drei
an Bord ab. Dort müssen sie als blinde Passagiere die Kosten für die Fahrt
abarbeiten und erleben unterwegs einige Irrungen und Wirrungen in
Liebesangelegenheiten.
Auch wenn ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK eineAdaption
des gleichnamigen Udo-Jürgens-Musicals ist, erzählt der Film die Geschichte
nochmals ganz neu und die Hits von Udo Jürgens bestimmen die Dramaturgie. Und
wer hätte gedacht (wir jedenfalls nicht), dass dieser Film so wundervoll
funktioniert. Wir kamen in toller Stimmung fast singend und tanzend aus dem
Kinosaal heraus.
„Viele Jahre nach LINIE 1 (Verfilmung des Musicals vom
Berliner-Grips Theater aus dem Jahr 1988) haucht Regisseur Philipp Stölzl dem
Genre Filmmusical neues Leben ein. „Obwohl der deutsche Film zu Beginn des
Tonfilms mit der Tonfilmoperette den Ton mit angegeben hat. Aber dieses
ur-eigene deutsche Genre ist dann mit all seinen jüdischen Komponisten und
Schreibern von den Nazis so gründlich ausgemerzt worden, dass es einfach keine
Tradition mehr gibt. Von den eher braven, biederen Schlager- und Revue-Filmen
der 50er-Jahre einmal abgesehen.“ Berliner Morgenpost
„Philipp Stölzl hat das Udo-Jürgens-Musical hin- und mitreißend
verfilmt. Mit Stars, die mit Spaß singen und das Tanzbein schwingen.“ Berliner Morgenpost
„Den Spaß sieht man Heike Makatsch, Katharina
Thalbach, Uwe Ochsenknecht und Moritz Bleibtreu, also einer ziemlich
prominenten deutschen Darstellerriege, jedenfalls an. Und gegen Spaß ist man
als Zuschauerin, als Zuschauer im Kino ja glücklicherweise weitgehend wehrlos.“
ZEIT ONLINE
Bei Cleos Geburt stirbt ihre Mutter, doch das Mädchen
baut eine wundervolle Beziehung zu ihrem Vater auf, mit dem sie immer wieder
auf Schatzsuche in Berlin geht. Bei einem dieser nicht immer ungefährlichen
Ausflüge kommt ihr Vater ums Leben, was sich Cleo (Marleen Lohse) bis ins junge
Erwachsenenalter nicht verzeihen kann. Als sie Paul (Jeremy Mockridge) kennen
lernt, sieht sie ihre Chance gekommen, das Unglück rückgängig zu machen, denn
Paul besitzt eine Schatzkarte, die zu einem Versteck der legendären
Bankräuberbrüder Sass führen soll. Teil des Schatzes soll auch eine magische Uhr
sein, mit der man die Zeit zurückdrehen kann. Im Berliner Untergrund
angekommen, muss Cleo sich für die Vergangenheit oder die Zukunft entscheiden.
„Du kannst nicht zweimal in denselben Fluss springen. Es
ist nicht mehr derselbe Fluss. Und du nicht mehr dieselbe Person.“ (Heraklit)
Originell, herrlich verspielt mit tollen visuellen
Einfällen, so kreativ wie in CLEO
erlebt man deutsches Kino äußerst selten. Ein wunderschönes modernes
Berlin-Märchen, das nicht nur Einflüsse von Jean-Pierre JeunetsDIE
FABELHAFTE WELT DER AMELIE erkennen lässt. Dass dazu berühmte
Persönlichkeiten wie die Brüder Sass, Marlene Dietrich, Heinrich Schliemann,
Albert Einstein und Max Planck digital zum Leben erweckt werden und Cleo mit Tipps
zur Seite stehen, ist eine weitere Huldigung dessen, was im Kino alles möglich
sein kann (könnte).
Bei DER FREITAG
gibt es ein Interview mit dem Regisseur Erik Schmitt.
"DIE
FABELHAFTE WELT DER AMELIE in Berlin: Regisseur Erik Schmitt schickt seine
Heldin auf Schatzsuche. Sein urbanes Märchen zieht alle Register dessen, was
Kino kann – für eine Hommage an den Zauber der Stadt und die Fantasie auf der
Leinwand.“ Kunst & Film
„Ein
kleines Film-Juwel aus Deutschland: Mit visuellem Einfallsreichtum und einer
Story, die Berliner Geschichte und Gegenwart auf originelle Weise verbindet,
gelingt Erik Schmitt ein wahrhaft bemerkenswertes Filmdebüt.“ Filmstarts
“The
film’s look is the real star of the show. Schmitt deploys myriad visual tricks,
from animated sequences to optical illusions, expertly using them to augment
the story. When Cleo is feeling anxious, her apartment shrinks to the size of
her orphanage bedroom. When she’s angry, the plants around her vibrate. She
picks planes out of the sky, moves trains with her hands and seems to
manipulate the entire city. These fantastical elements are intensified by some
glorious cinematography from Johannes Louis, who paints Berlin in vibrant
colours and shakes off the dark shadows of its history to turn it into a place
of magic and possibility.” Screen Daily