Das
18. INTERNATIONALE BREMER SYMPOSIUM ZUM FILM mit dem Thema „Zuschauer?
Zwischen Kino und sozialen Netzwerken“, das an diesem Wochenende stattfindet (17.-20.1.2013),
setzt sich u.a. mit der Frage „Why Do We Go to the Movies“ auseinander.
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Und
hier tue ich es.
Ein
Dienstagabend in einem Saal in einem Multiplex-Kino irgendwo in Hamburg
Ich
setze mich auf den äußersten Platz am Gang in einer der hinteren Reihen. Vor
mir auf der Leinwand kommt ein Mitarbeiter einer Firma zum wohl 5000sten Mal
aus dem Urlaub zurück, der ohne die Sekretärin, die ihn lächelnd begrüßt, nur
halb so schön war. Werbespot reiht sich an Werbespot. Deren Originalität bleibt
schon deshalb begrenzt, weil man als regelmäßiger Kinogänger schon des Öfteren
das „Vergnügen“ hatte. Nun gut, in vielen Kinos gehört die Werbung nun mal
dazu, sie sorgt dafür, dass die Ticketpreise nicht ins Unermessliche steigen
und wird deshalb stillschweigend, wenn auch wenig andächtig erduldet.
30
Minuten sind vorbei – der Film kann losgehen. Die Zeiten, in denen es vor dem Hauptfilm
noch einen entdeckenswerten Kurzfilm zu sehen gab, sind ja leider vorbei.
Stattdessen werden einem die Trailer von fünf Filmen geboten, die in den
Startlöchern stehen und auf die natürlich aufmerksam gemacht werden muss. Zwei
hätten es für meinen Geschmack auch getan, aber so weiß ich jetzt jedenfalls,
welche vier Filme ich mir nicht anschauen
muss.
Die
ersten Worte während dieser Filmvorführung kommen nicht aus den Lautsprechern,
sondern von dem Herrn in der Reihe hinter mir. Er hat vergessen, dass er mit
seiner Begleiterin nicht zu Hause im Wohnzimmer sitzt und drückt seine
Begeisterung über den Beginn des Films voller Euphorie (und Lautstärke) aus: „Das
fängt ja schon mal gut an. Herrliche Musik.“ Und so ähnlich geht es noch eine
ganze Zeitlang weiter. Bis ich mich umdrehe und arglos frage: „Aber Sie werden
jetzt nicht den ganzen Film kommentieren?“ Er schweigt und hält das Schweigen
tatsächlich während der gesamten Filmlänge durch.
10
Minuten nach Filmbeginn macht sich drei Reihen hinter mir ein Handy bemerkbar.
Inklusive Werbung hat es jetzt schon mehr als 30 Minuten in der Hosentasche ruhen
müssen, was selbst dem nobelsten iPhone zu viel werden kann. Es scheint ein
Geschäftsgespräch zu sein, offenbar macht jener Kinobesucher eben mal seinen
Mitarbeiter zur Sau und erklärt ihm (und uns) dann mit aufgebrachter Stimme wie
die Excel-Tabelle in Word einzubinden sei („Neiiiiiiiiiin. Nicht Strg + C. STRG+L? Wieso? …..“). Für
einen Moment gelingt es mir, mich auf die Leinwand zu konzentrieren. James Bond
hat zumindest andere Sorgen.
Es
knistert. Kaum ein Kinobesuch vergeht ohne dieses „durch
Bewegung verursachte helle, kurze, leise raschelnde Geräusch“ (Duden), das den
Kinobesuch für viele „Kinofans“ offenbar erst perfekt macht. Leider ist so eine
Tüte nicht in wenigen Sekunden leer ….
Zu den Geräuschen gesellen sich jetzt noch
Bewegungen und Gerüche. Zuspätkommer, die sich nicht so recht entscheiden
können, ob sie denn nun wirklich auf den Plätzen, die auf ihren Kinokarten in
Zahlen und Buchstaben aufgedruckt sind, Platz nehmen sollen. Das verdient
mindestens eine gewisse Zeit der Diskussion, die stehend auf der Treppe in der
Reihe vor mir verbracht wird. Es mischt sich ihr, vorsichtig ausgedrückt,
etwas mehr als dezenter Parfümduft mit dem Geruch der Käsesauce, die sich über
seine Nachos ergießt.
Die jungen Leute zwei Reihen vor mir werden
unruhig. Sie sind zu sechst gekommen, aber wie es aussieht, interessiert sich
nur einer von ihnen für diesen Film, dem sie nun alle auf Gedeih und Verderb
ausgeliefert sind. Vielleicht ist heute sein Geburtstag und sie haben ihm aus
diesem Grund den Gefallen getan, mit ihm in diese Vorstellung zu gehen. Aber
mit Gesprächen lässt sich ja so manche Langeweile vertreiben.
Durch eine angenehmere Sitzhaltung versuche ich
mich zu entspannen. Zu gern hätte ich jetzt meinen linken Arm auf die Sitzlehne
gelegt, die jedoch leider besetzt ist (und besetzt bleibt).
Jemand erhebt sich. Sein Platz befindet sich
in der Mitte der gleichen Reihe, in der ich auch sitze. Es ist wie bei der La-Ola-Welle
im Fußballstadion: Einer nach dem anderen steht auf, damit dieser Mensch „nature`
s call“ außerhalb des Kinosaales nachgeben kann. Ich vermute, dass er zurückkommen
wird und dann wird sich die La-Ola-Welle entgegengesetzt bewegen.
Erschreckt zucke ich zusammen. Ich muss für
einen Moment eingeschlafen sein, denn ich erinnere mich an einen Traum. Ein
Traum, in dem ich mit vielen anderen Menschen in einem Kinosaal saß, es aber
trotzdem nichts gäbe außer mir, der Dunkelheit um mich herum und dem Film auf der
wundervollen großen Leinwand. Kino könnte so schön sein!
Und natürlich ist es das auch, denn zwar
haben sich die oben beschriebenen Vorfälle alle so oder so ähnlich ereignet,
jedoch niemals alle während eines Kinobesuches. Und dann gibt es da ja auch
noch die Kinosäle, in denen man kein Popcorn und keine Nachos kaufen kann, in
denen es vor dem Film keinen aus dem Urlaub zurückkehrenden Mitarbeiter gibt,
der sich jetzt einen neuen Arbeitsplatz suchen muss, weil er die Ehefrau seines
Chefs als Zwerg bezeichnet hat, und in denen das Publikum genau wie ich fast
hingebungsvoll den Film auf der Leinwand verfolgt. Pure Kino-Magie eben!
(Regina Nickelsen)