Mittwoch, 22. Juli 2015

Tipps für ein tolles August-Programm des METROPOLIS Kino Hamburg

„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall und schickt uns alle freudig fort!“ Augustus (63 v. Chr. – 14 n. Chr.), erster römischer Kaiser und Namensgeber des Monats August.

Ob Kaiser Augustus in jeder Situation seine Rolle gut gespielt hat, vermögen wir nicht zu beurteilen, dass die Darsteller in den Filmen, die das METROPOLIS Kino im August im Programm hat, es getan haben, glauben wir schon. Einer, für den das ganz bestimmt gilt, ist der am 13. Juli 2014 verstorbene deutsche Theaterschauspieler Gert Voss, den Sie in Giulio Ricciarellis Film IM LABYRINTH DES SCHWEIGENS in unserer Filmreihe DaF am 12.8. um 19.00 Uhr erleben können. Es war Voss‘ letzte Filmrolle und er spielt bravourös den Generalstaatsanwalt und Initiator der Frankfurter Auschwitz-Prozesse Fritz Bauer, der allen Widerständen der von ehemaligen Nazis durchsetzten Politik und Justiz zum Trotz deutsche Kriegsverbrecher vor Gericht brachte. Auch wenn Voss (und damit auch Fritz Bauer) eine Nebenrolle in dem Film spielt, ist es sein Spiel, das noch lange in Erinnerung bleibt.

Mehr Informationen zu IM LABYRINTH DES SCHWEIGENS und den Trailer finden Sie in diesem Blogpost. 
Foto: © Universal Pictures
Mit dem Thema Auschwitz beschäftigt sich auch Gabriele Trosts Dokumentation WIR HABEN DOCH NICHTS GETAN (D 2007) in der Reihe TÄTER – OPFER – WIDERSTAND, den das METROPOLIS am 30.8. um 17.00 Uhr zeigt. Gabriele Trost zeichnet darin den Leidensweg sechs Überlebender des Völkermordes an den Sinti und Roma nach. 

Jährlich gedenken Sinti und Roma aus ganz Europa am 2. August in Ausschwitz-Birkenau ihrer ermordeten Angehörigen. In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 wurden die letzten im Lager verbliebenen 2897 Männer, Frauen und Kinder von den Nazis ermordet. Insgesamt wurden 23.000 Sinti und Roma nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo die meisten ermordet wurden bzw. aufgrund der unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen verstarben.
Beim Dokumentations- und Kulturzentrum deutscher Sinti und Roma können Sie sich ausführlich über die NS-Verbrechen an den Sinti und Roma informieren. 

In der BRD der 50er und 60er Jahre genoss man das Wirtschaftswunder, eine Aufarbeitung des Holocaust oder auch des Völkermordes an den Sinti und Roma wäre dabei wohl nur eine unangenehme Störung gewesen. Diese Haltung drückte sich auch in den meisten in dieser Zeit produzierten Filmen aus. Einer der wenigen Produzenten dieser Zeit, denen es darum ging, die deutsche NS-Vergangenheit aufzuarbeiten, war der 1918 geborene Artur Brauner, der als Sohn jüdischer Eltern durch seine Flucht in die Sowjetunion dem Holocaust entkam. Brauner ging nach Kriegsende im Jahr 1946 nach Westberlin und gründete im September des gleichen Jahres die Central Cinema Company. Er hat bis heute etwa 250 Filme produziert. Neben reinen Unterhaltungsfilmen waren es auch Filme, die sich mit dem NS-Regime auseinandersetzten, darunter auch die späteren Werke HITLERJUNGE SALOMON (1990), DER LETZTE ZUG (2006) und WUNDERKINDER (2011). Das METROPOLIS zeigt im August sieben Filme aus der Produktion Brauners, die zwischen den Jahren 1952 und 1960 entstanden, beispielsweise am 19. und 21.8. jeweils um 17.00 Uhr DIE 1000 AUGEN DES DR. MABUSE (D 1960, Regie: Fritz Lang). Die weiteren Brauner-Filme entnehmen Sie gern der Themenseite des METROPOLIS unter dem Titel ARTUR BRAUNER UND DIE CCC FILMKUNST.


Als Regisseur beleuchtete Rainer Werner Fassbinder vor allem in seinem Film DIE EHE DER MARIA BRAUN (BRD 1978) die deutsche Nachkriegsgeschichte mit dem Vergessen und Verdrängen sowie der fehlenden Bereitschaft zur Aufarbeitung der NS-Zeit. Der 4. Juli 1954, der Tag, an dem Deutschland erstmals Fußballweltmeister wurde, ist nicht zufällig ein Unglückstag in diesem bedeutenden Film, den Sie am 1.8. (21.15), 2.8. (19.00) und am 3.8. (19.15) im METROPOLIS wiederentdecken bzw. neu entdecken können (was wir ausdrücklich empfehlen). Weitere Filme des 1982 jung verstorbenen Regisseurs, der am 31. Mai dieses Jahres 70 Jahre alt geworden wäre, sind im August IN EINEM JAHR MIT 13 MONDEN (BRD 1978), LILI MARLEEN (BRD 1980), LOLA (BRD 1981), QUERELLE – EIN PAKT MIT DEM TEUFEL (BRD/F 1982) sowie DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS (BRD 1982). Die Spielzeiten finden Sie auf der Themenseite des METROPOLIS.
Wer sich bisher wenig (oder gar nicht) mit dem Werk Fassbinders beschäftigt hat, dem empfehlen wir als Einstieg LILI MARLEEN, ein Drama, das durchaus unterhaltsam und packend ist – mit einem tollen Einsatz der Farben und einer Helligkeit und auch Weite, die man in vielen Filmen Fassbinders vermissen mag. LILI MARLEEN wurde zwar seinerseits von der Kritik zwiespältig aufgenommen, lohnt aber unbedingt den Kinobesuch – Betonung auf Kino! 

Wir empfehlen zum Weiterlesen über Rainer Werner Fassbinder „Sechs Erinnerungen zum 70. Geburtstags des Genies“ von Alexander Kluge bei Spiegel Online

Auch die Retrospektive INGRID BERGMAN anlässlich des 100. Geburtstags der schwedischen Schauspielerin in diesem Jahr wird im August fortgesetzt, und zwar hochkarätig mit Filmen wie WEM DIE STUNDE SCHLÄGT (USA 1943, Regie: Sam Wood)), CASABLANCA (USA 1942, Regie: Michael Curtiz), SPELLBOUND (USA 1945, Regie: Alfred Hitchcock), THE BELLS OF ST. MARY’S (USA 1945, Regie: Leo McCarey), NOTORIOUS (USA 1946, Regie: Alfred Hitchcock) sowie ARCH OF TRIUMPH (USA 1948, Regie: Lewis Milestone). Alle Spielzeiten gibt’s auf der Themenseite des METROPOLIS unter dem Titel INGRID BERGMAN.

Französisch wird es im METROPOLIS ab dem 20.8. Dann werden um 20.00 Uhr die 8. FRANZÖSISCHEN FILMTAGE mit der Komödie DES MILLIARDS DE TOI MON POUSSIN (F 2014, Regie: Mathilde Laconche) eröffnet. Zwei Halbwüchsige wollen ihre Umgebung vom Lebenskonzept des Veganimus überzeugen. Klingt nach einer schönen Idee.
Bis zum 29.8. zeigt das METROPOLIS fünf weitere aktuelle französische Produktionen sowie ein Kurzfilmprogramm (23.8., 19.00 Uhr) unter dem Motto LA VIE LUNATIQUE. Alle Filme laufen im französischen Original mit deutschen bzw. englischen Untertiteln.

Im Rahmen der FRANZÖSISCHEN FILMTAGE gibt es zudem eine Werkschau mit  allen fünf Filmen des französischen Regisseurs LEOS CARAX, darunter selbstverständlich auch sein faszinierender und bizarrer Kino-Trip HOLY MOTORS (F 2012) am 30.8. um 19.00 Uhr. Achtung: Sämtliche Filme dieser Retrospektive haben nur einen Spieltermin!

Die Reihe NEUES DEUTSCHES KINO ist im August dem Regisseur Axel Ranisch gewidmet. Das METROPOLIS hat seine Filme DICKE MÄDCHEN (D 2012), REUBER (D 2013) und ICH FÜHL MICH DISCO (D 2013) im Programm. Die Termine und Informationen zu den Filmen entnehmen Sie gern der Themenseite des Kinos unter dem Titel NEUES DEUTSCHES KINO

Einen weiteren aktuellen deutschen Film können Sie am 9.8. um 17.00 Uhr in der Reihe SOULFOOD JAIL ansehen. FREISTATT (D 2015, Regie: Marc Brummund) beschreibt, auf wahren Begebenheiten beruhend, die sadistischen Erziehungsmethoden in einem norddeutschen Erziehungsheim in den 1960er Jahren. Ein wenig schließt sich hier unser Kreis, denn Brummunds Drama lässt erkennen, wie die Gewalt als Erziehungsmethode im Schatten der unbewältigten NS-Vergangenheit erwächst. Und so wie der Holocaust im Nachkriegsdeutschland verschwiegen wurde, so legte sich auch eine Mauer des Schweigens über die Missstände und den Missbrauch in den Erziehungsheimen der Nachkriegsgesellschaft. Ein sehr sehenswerter Film!
So weit unsere Tipps zum August-Programm des METROPOLIS. Weitere Reihen, die auf der Themenseite des Kinos Ihre Beachtung verdienen sind dokART, JÜDISCHER FILMCLUB, SENIORENKINO (George Roy Hills Gaunerkomödie DER CLOU mit Robert Redford und Paul Newman am 20.8. um 14.00 Uhr), ASYNCHRON und kinelab hamburg.

Wir wünschen Ihnen einen schönen Spätsommer und viele anregende und unterhaltsame Kinostunden!

Am Meer


Wie ist dir nun,
meine Seele?
Von allen Märkten
des Lebens fern,
darfst du nun ganz
dein selbst genießen.


Keine Frage
von Menschenlippen
fordert Antwort.
Keine Rede
noch Gegenrede
macht dich gemein.
Nur mit Himmel und Erde
hältst du
einsame Zwiesprach.
Und am liebsten
befreist du
dein stilles Glück,
dein stilles Weh
in wortlosen Liedern.


Wie ist dir nun,
meine Seele?
Von allen Märkten
des Lebens fern
darfst du nun ganz
dein selbst genießen.

Christian Morgenstern