Interview mit der
Nachwuchsfilmemacherin Veronica Santos
Am 23. September 2011 haben wir ein
Interview mit unserer ehemaligen Deutsch-als-Fremdsprache-Schülerin Veronica
Santos geführt. Veronica hat in unserer Reihe DaF im Metropolis-Kino bereits
zwei ihrer Kurzfilme gezeigt. Und wir warten ungeduldig auf ihr nächstes Werk! Veronica hat übrigens
mittlerweile ihr Studium in Kiel abgeschlossen und lebt jetzt in Berlin.
Veronica Santos (27 Jahre) kommt aus Bogotá in Kolumbien und lebt seit vier
Jahren in Deutschland. In Kolumbien hat sie Bildende Künste studiert und möchte
jetzt Regisseurin werden. Sie hat bereits mehrere Kurzfilme gedreht, von denen
sie zwei (DER SPIEGELTRAUM, 2008 und EIN ABSCHIED, 2009) in unserer Reihe DaF:
Deutsch als Fremdsprache – Deutsch als Filmsprache in Hamburg im
Metropolis-Kino gezeigt hat.
Filmteam Colón:
Veronica, du hast zunächst in Hamburg gelebt und jetzt lebst du in Kiel. Was
hast du in Hamburg gemacht und was machst du derzeit in Kiel?
Veronica Santos:
In bin im Januar 2008 nach Hamburg gekommen. Für ein Jahr habe ich als Au-Pair
Mädchen gearbeitet und nebenbei habe ich Deutsch an der Sprachschule Colón
gelernt. In diesem Jahr habe ich mich um einen Studienplatz bei verschiedenen
Film- und Kunsthochschulen beworben und für diese Bewerbungen habe ich den
Kurzfilm „Der Spiegeltraum“ gedreht. Im Jahr 2009 bekam ich einen Platz in dem
Masterstudiengang Multimedia Production an der FH Kiel. Aus diesem Grund bin
ich nach Kiel gezogen und seitdem wohne und studiere ich in Kiel. Im Januar
nächsten Jahres werde ich mein Studium abschließen und nach Berlin ziehen.
Filmteam Colón:
Kannst du uns Näheres zu deinem Studium erzählen?
Veronica Santos:
Der Masterstudiengang Multimedia Production bietet zwei Studienschwerpunkte an:
Multimediale Präsentationen und Journalismus. Ich habe mich für Multimediale
Präsentationen entschieden und dabei habe ich hauptsächlich verschiedene
Produktionen für den Mediendom in Kiel gemacht, welcher der FH Kiel angehört
und im Campus der Hochschule liegt. Zu diesem Studienschwerpunkt gehören auch
die wissenschaftliche Beschäftigung mit den immersiven Medien (Fernsehen, Film,
Buch, u.a.), sowie einige allgemeine Aspekte des Bereichs Medien, wie
Medienrecht und Medienwirtschaft. Derzeit beschäftige ich mich mit einem
Projekt für das Studium. Es geht um einen Dokumentarfilm über eine Rockband aus
Kolumbien namens Doctor Krapula, die im Juni dieses Jahres auf eine Tournee durch
ganz Deutschland gegangen ist. Dieses Dokumentarfilm-Genre heißt Rockumentary
und über dieses Thema werde ich meine Master-These schreiben, mit der ich mich
bis zum Ende dieses Jahres beschäftigen werde.
Filmteam Colón:
Das Leben in Deutschland ist ja nicht wirklich billig. Wie finanzierst du dein
Studium und dein Leben hier?
Veronica Santos:
Am Anfang haben mich meine Eltern finanziell unterstützt. Dann jedoch habe ich
mich langsam durch verschiedene Jobs finanziell unabhängig gemacht. Ich habe es
geschafft, mit wenig Geld mein Leben und mein Studium zu finanzieren. Dabei ist
der Schlüssel, sehr diszipliniert und organisiert mit dem Geld umzugehen. Seit
einem Jahr arbeite ich in der Traum GmbH in Kiel als Filmvorführerin, was
sozusagen mein Haupt-Job ist, Außerdem habe ich nebenbei als Babysitter und
Übersetzerin gearbeitet. Unregelmäßig arbeite ich auch als Free-Lance Cutterin
für eine Kommunikationsagentur in Hamburg. Um mein Leben zu finanzieren, mache
ich eigentlich alles, was ich machen kann, aber vor allem, was mir Spaß bringt
und wodurch ich etwas Neues lernen kann.
Filmteam Colón:
Was war für dich in Deutschland schwierig? Welchen Problemen bist begegnet?
Hast du manchmal daran gedacht, alles hinzuwerfen und nach Kolumbien
zurückzukehren?
Veronica Santos:
Meine Lebenserfahrung in Deutschland ist sehr angenehm gewesen. Ich habe mich
in einem komplett anderen Kontext befunden und ich habe langsam gelernt, mich
zurechtzufinden. Auch durch diese Erfahrung habe ich eine neue Facette von mir
selbst entdeckt und bin als Mensch reifer geworden. Es ist schwierig gewesen,
eine Studentin ohne finanzielle Hilfe vom Staat zu sein, da die Studenten, die
keine europäische Staatsbürgerschaft besitzen, kein Recht auf BAFÖG haben. Aber
wie vorher gesagt, man schafft es. Glücklicherweise ist es möglich, mit wenig
Geld ein normales Leben in Deutschland zu führen, da die grundlegenden
Bedürfnisse, wie das Essen und zum Arzt zu gehen, leicht zu befriedigen sind.
Filmteam Colón:
Warum hast du dir Deutschland für deine berufliche Weiterentwicklung
ausgesucht?
Veronica Santos:
Ich habe mich für Deutschland entschieden, weil es hier ein gutes und großes
Angebot an Kunst- und Filmstudiengängen gibt, die weltweit einen guten Ruf
haben. Außerdem gibt es in Deutschland die Möglichkeit, sich selber ohne große
Schwierigkeiten als Student zu finanzieren, da einige der staatlichen
Hochschulen geringe oder sogar keine Studiengebühren erheben. Dennoch ist die
Zulassung zu einem Studium nicht so einfach und das entspricht einem hohen
Niveau des Studiums. Ich habe auch Verwandte in Berlin und Hamburg, deswegen
war es am Anfang viel einfacher hier mein Leben zu führen, weil ich mit der
Unterstützung meiner Familie rechnen konnte.
Filmteam Colón:
Was gefällt dir am Deutschen Film?
Veronica Santos:
Am Deutschen Film gefällt mir, dass darin eine große Vielfalt an Themen
behandelt wird und im Mittelpunkt nicht ein kommerzieller Zweck steht, sondern
mehr die künstlerische Qualität der Filme. Das wird auch einigermaßen in den
Deutschen Filmhochschulen gefördert. Auch dadurch, dass die Deutsche
Filmindustrie eine lange Geschichte hat und sie eine etablierte Industrie ist,
ist es möglich bei den Filmen neue und interessante Inhalte und Abhandlungen zu
sehen.
Filmteam Colón:
Dein neuestes Projekt kennen wir noch nicht, aber deine Filme DER SPIEGELTRAUM
und EIN ABSCHIED gefallen uns wirklich sehr. Kannst du uns etwas über deine
Kurzfilme erzählen, die du hier in Deutschland gemacht hast?
Veronica Santos:
Diese Filme wurden irgendwie von meiner Erfahrung in Deutschland inspiriert,
vielleicht nicht immer von bestimmten Erfahrungen, wie es der Fall bei „Ein
Abschied“ gewesen ist, aber von Eindrücken und Wahrnehmungen, wie es im Fall
von „Der Spiegeltraum“ ist. Bei dem Film „Ein Abschied“ spielte die Tatsache,
dass ich mich im Ausland befand, eine sehr wichtige Rolle, und dass ich
plötzlich und kurzfristig meine Heimat besuchen musste. Der Film ist eigentlich
ein Porträt dieser Erfahrung. Bei „Der Spiegeltraum“ war es anders. Als ich
frisch in Hamburg angekommen war, haben mich die schöne Architektur, die
Jahreszeiten und einige Orte in der Stadt beeindruckt. Damals wohnte ich in der
Nähe des Stadtparks und die Schönheit dieses Ortes, besonders im Sommer, hat
mich motiviert einen Film an diesem Ort zu drehen. Dann ist die Idee gekommen
und ich habe es gemacht. So ist der „Der Spiegeltraum“ entstanden.
Filmteam Colón:
Dein Film EIN ABSCHIED ist ein sehr persönlicher Film, der uns aber trotz
dieser persönlichen Geschichte sehr angesprochen hat. Wie denkst du heute über
diesen Film, den du nur wenige Tage nach dem Tod deines Vaters gemacht hast?
Veronica Santos:
Ich habe mir vor kurzer Zeit den Film wieder angesehen. Dieses Mal konnte ich
den Film objektiver betrachten und er hat mir besser gefallen, als zu dem
Zeitpunkt, als ich ihn gerade beendet hatte. Damals, als ich den Film gedreht
hatte, war ich noch emotional betroffen und konnte keine objektive Sicht haben.
Es war nicht besonders schmerzhaft, mir den Film anzugucken, aber ich konnte
keine objektive Meinung dazu haben. Den Film habe ich irgendwie instinktiv
gemacht und ich habe nicht viel darüber nachgedacht, ich habe ihn einfach
gemacht. Ich hatte auch nicht so viel Zeit, den Film zu drehen, ich stand unter
Druck, da die Frist der Bewerbung für die DFFB schon fast abgelaufen war.
Vielleicht ist der Film deswegen ehrlich und authentisch. Ich freue mich, dass
ich in dem Moment den Film gemacht habe, da er jetzt eine Erinnerung an meinem
Vater darstellt und er bedeutet für mich ein schönes und positives Ergebnis aus
einem schwierigen Erlebnis.
Filmteam Colón:
Deine Art Filme zu machen könnte man wohl am ehesten mit dem Begriff
„Poetischer Film“ umschreiben. Möchtest du diesem Stil treu bleiben?
Veronica Santos:
Ja, auf jeden Fall möchte ich diesem Stil treu bleiben. Auf diese Weise habe
ich das Gefühl, dass ich meiner Wahrnehmung und meiner Arbeitsweise treu bin,
da dieser Stil sich so entwickelt hat und ich so gut wie keinen bewussten
Einfluss darauf gehabt habe. Ich bin der Meinung, wenn man als Künstler nicht
ehrlich und authentisch bleibt, verliert die Arbeit sehr an Qualität, da der
Unterschied zwischen Kunst und Nichts in der Ehrlichkeit liegt.
Filmteam Colón:
Welchen Rat würdest du jungen Menschen in Deutschland und auch jungen Menschen
aus anderen Ländern, die zum Studium nach Deutschland kommen, mit auf den Weg
geben, wenn sie eine Karriere im Filmgeschäft anstreben?
Veronica Santos:
Ich würde auf jeden Fall empfehlen, viel Mut und Motivation aufzubringen, vor
allem nie aufgeben, da das Studium des Films in Deutschland alle andere als
einfach ist, vor allem ist es sehr schwer, einen Studienplatz zu bekommen.
Dennoch lohnt es sich, wenn man es schafft, deswegen muss man immer an die
eigene Arbeit und an sich selbst glauben. Es geht nicht darum, besonders viel
Talent zu haben, es geht mehr darum, wie stark man etwas selbst wünscht, und um
die Bereitschaft, die man hat, um ernsthaft ein Ziel zu erreichen.
Filmteam Colón:
Was sind deine nächsten Pläne?
Veronica Santos:
Ich weiß noch nicht so genau, wie es nach dem Abschluss meines Studiums weiter
gehen wird. In jedem Fall wünsche ich mir, einen guten Job im Bereich Film zu
bekommen und in Berlin wohnen zu können. Ich würde gerne bei verschiedenen
Projekten mitmachen und die Gelegenheit haben, mich dabei mit meiner eigenen
Arbeit zu beschäftigen, so dass ich mich als Künstlerin und Filmemacherin
weiter entwickeln kann.
Filmteam Colón:
Wann können wir wieder einen Film von dir in unserer Reihe im Metropolis-Kino
zeigen?
Veronica Santos:
Momentan arbeite ich an der Post-Produktion meines letzten Projekts. Es geht um
eine Rockumentary über eine kolumbianische Band, die am Juni dieses Jahres auf
Tournee durch verschiedene Städte Deutschlands gewesen ist. Sobald der Film
fertig ist, würde ich den Film gerne innerhalb der Film-Reihe von Colón im
Metropolis-Kino zeigen!
Filmteam Colón:
Veronica, wir danken dir ganz herzlich für dieses Gespräch und wünschen dir
alles Gute für deinen beruflichen Werdegang! Und wir freuen uns sehr darauf,
deinen nächsten Film bald präsentieren zu können (und dann natürlich noch viele
weitere Filme von dir).
EIN ABSCHIED: Ein Kurzfilm,
für den wir um eure Aufmerksamkeit bitten möchten.