Sonntag, 28. Oktober 2012

Interview mit der Nachwuchsfilmemacherin Veronica Santos




Interview mit der Nachwuchsfilmemacherin Veronica Santos
Am 23. September 2011 haben wir ein Interview mit unserer ehemaligen Deutsch-als-Fremdsprache-Schülerin Veronica Santos geführt. Veronica hat in unserer Reihe DaF im Metropolis-Kino bereits zwei ihrer Kurzfilme gezeigt. Und wir warten ungeduldig auf ihr nächstes Werk! Veronica hat übrigens mittlerweile ihr Studium in Kiel abgeschlossen und lebt jetzt in Berlin.

Veronica Santos (27 Jahre) kommt aus Bogotá in Kolumbien und lebt seit vier Jahren in Deutschland. In Kolumbien hat sie Bildende Künste studiert und möchte jetzt Regisseurin werden. Sie hat bereits mehrere Kurzfilme gedreht, von denen sie zwei (DER SPIEGELTRAUM, 2008 und EIN ABSCHIED, 2009) in unserer Reihe DaF: Deutsch als Fremdsprache – Deutsch als Filmsprache in Hamburg im Metropolis-Kino gezeigt hat.

Filmteam Colón:
Veronica, du hast zunächst in Hamburg gelebt und jetzt lebst du in Kiel. Was hast du in Hamburg gemacht und was machst du derzeit in Kiel?

Veronica Santos:
In bin im Januar 2008 nach Hamburg gekommen. Für ein Jahr habe ich als Au-Pair Mädchen gearbeitet und nebenbei habe ich Deutsch an der Sprachschule Colón gelernt. In diesem Jahr habe ich mich um einen Studienplatz bei verschiedenen Film- und Kunsthochschulen beworben und für diese Bewerbungen habe ich den Kurzfilm „Der Spiegeltraum“ gedreht. Im Jahr 2009 bekam ich einen Platz in dem Masterstudiengang Multimedia Production an der FH Kiel. Aus diesem Grund bin ich nach Kiel gezogen und seitdem wohne und studiere ich in Kiel. Im Januar nächsten Jahres werde ich mein Studium abschließen und nach Berlin ziehen.

Filmteam Colón:
Kannst du uns Näheres zu deinem Studium erzählen?

Veronica Santos:
Der Masterstudiengang Multimedia Production bietet zwei Studienschwerpunkte an: Multimediale Präsentationen und Journalismus. Ich habe mich für Multimediale Präsentationen entschieden und dabei habe ich hauptsächlich verschiedene Produktionen für den Mediendom in Kiel gemacht, welcher der FH Kiel angehört und im Campus der Hochschule liegt. Zu diesem Studienschwerpunkt gehören auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit den immersiven Medien (Fernsehen, Film, Buch, u.a.), sowie einige allgemeine Aspekte des Bereichs Medien, wie Medienrecht und Medienwirtschaft. Derzeit beschäftige ich mich mit einem Projekt für das Studium. Es geht um einen Dokumentarfilm über eine Rockband aus Kolumbien namens Doctor Krapula, die im Juni dieses Jahres auf eine Tournee durch ganz Deutschland gegangen ist. Dieses Dokumentarfilm-Genre heißt Rockumentary und über dieses Thema werde ich meine Master-These schreiben, mit der ich mich bis zum Ende dieses Jahres beschäftigen werde.

Filmteam Colón:
Das Leben in Deutschland ist ja nicht wirklich billig. Wie finanzierst du dein Studium und dein Leben hier?

Veronica Santos:
Am Anfang haben mich meine Eltern finanziell unterstützt. Dann jedoch habe ich mich langsam durch verschiedene Jobs finanziell unabhängig gemacht. Ich habe es geschafft, mit wenig Geld mein Leben und mein Studium zu finanzieren. Dabei ist der Schlüssel, sehr diszipliniert und organisiert mit dem Geld umzugehen. Seit einem Jahr arbeite ich in der Traum GmbH in Kiel als Filmvorführerin, was sozusagen mein Haupt-Job ist, Außerdem habe ich nebenbei als Babysitter und Übersetzerin gearbeitet. Unregelmäßig arbeite ich auch als Free-Lance Cutterin für eine Kommunikationsagentur in Hamburg. Um mein Leben zu finanzieren, mache ich eigentlich alles, was ich machen kann, aber vor allem, was mir Spaß bringt und wodurch ich etwas Neues lernen kann.

Filmteam Colón:
Was war für dich in Deutschland schwierig? Welchen Problemen bist begegnet? Hast du manchmal daran gedacht, alles hinzuwerfen und nach Kolumbien zurückzukehren?

Veronica Santos:
Meine Lebenserfahrung in Deutschland ist sehr angenehm gewesen. Ich habe mich in einem komplett anderen Kontext befunden und ich habe langsam gelernt, mich zurechtzufinden. Auch durch diese Erfahrung habe ich eine neue Facette von mir selbst entdeckt und bin als Mensch reifer geworden. Es ist schwierig gewesen, eine Studentin ohne finanzielle Hilfe vom Staat zu sein, da die Studenten, die keine europäische Staatsbürgerschaft besitzen, kein Recht auf BAFÖG haben. Aber wie vorher gesagt, man schafft es. Glücklicherweise ist es möglich, mit wenig Geld ein normales Leben in Deutschland zu führen, da die grundlegenden Bedürfnisse, wie das Essen und zum Arzt zu gehen, leicht zu befriedigen sind.

Filmteam Colón:
Warum hast du dir Deutschland für deine berufliche Weiterentwicklung ausgesucht?

Veronica Santos:
Ich habe mich für Deutschland entschieden, weil es hier ein gutes und großes Angebot an Kunst- und Filmstudiengängen gibt, die weltweit einen guten Ruf haben. Außerdem gibt es in Deutschland die Möglichkeit, sich selber ohne große Schwierigkeiten als Student zu finanzieren, da einige der staatlichen Hochschulen geringe oder sogar keine Studiengebühren erheben. Dennoch ist die Zulassung zu einem Studium nicht so einfach und das entspricht einem hohen Niveau des Studiums. Ich habe auch Verwandte in Berlin und Hamburg, deswegen war es am Anfang viel einfacher hier mein Leben zu führen, weil ich mit der Unterstützung meiner Familie rechnen konnte.

Filmteam Colón:
Was gefällt dir am Deutschen Film?

Veronica Santos:
Am Deutschen Film gefällt mir, dass darin eine große Vielfalt an Themen behandelt wird und im Mittelpunkt nicht ein kommerzieller Zweck steht, sondern mehr die künstlerische Qualität der Filme. Das wird auch einigermaßen in den Deutschen Filmhochschulen gefördert. Auch dadurch, dass die Deutsche Filmindustrie eine lange Geschichte hat und sie eine etablierte Industrie ist, ist es möglich bei den Filmen neue und interessante Inhalte und Abhandlungen zu sehen.

Filmteam Colón:
Dein neuestes Projekt kennen wir noch nicht, aber deine Filme DER SPIEGELTRAUM und EIN ABSCHIED gefallen uns wirklich sehr. Kannst du uns etwas über deine Kurzfilme erzählen, die du hier in Deutschland gemacht hast?

Veronica Santos:
Diese Filme wurden irgendwie von meiner Erfahrung in Deutschland inspiriert, vielleicht nicht immer von bestimmten Erfahrungen, wie es der Fall bei „Ein Abschied“ gewesen ist, aber von Eindrücken und Wahrnehmungen, wie es im Fall von „Der Spiegeltraum“ ist. Bei dem Film „Ein Abschied“ spielte die Tatsache, dass ich mich im Ausland befand, eine sehr wichtige Rolle, und dass ich plötzlich und kurzfristig meine Heimat besuchen musste. Der Film ist eigentlich ein Porträt dieser Erfahrung. Bei „Der Spiegeltraum“ war es anders. Als ich frisch in Hamburg angekommen war, haben mich die schöne Architektur, die Jahreszeiten und einige Orte in der Stadt beeindruckt. Damals wohnte ich in der Nähe des Stadtparks und die Schönheit dieses Ortes, besonders im Sommer, hat mich motiviert einen Film an diesem Ort zu drehen. Dann ist die Idee gekommen und ich habe es gemacht. So ist der „Der Spiegeltraum“ entstanden.

Filmteam Colón:
Dein Film EIN ABSCHIED ist ein sehr persönlicher Film, der uns aber trotz dieser persönlichen Geschichte sehr angesprochen hat. Wie denkst du heute über diesen Film, den du nur wenige Tage nach dem Tod deines Vaters gemacht hast?

Veronica Santos:
Ich habe mir vor kurzer Zeit den Film wieder angesehen. Dieses Mal konnte ich den Film objektiver betrachten und er hat mir besser gefallen, als zu dem Zeitpunkt, als ich ihn gerade beendet hatte. Damals, als ich den Film gedreht hatte, war ich noch emotional betroffen und konnte keine objektive Sicht haben. Es war nicht besonders schmerzhaft, mir den Film anzugucken, aber ich konnte keine objektive Meinung dazu haben. Den Film habe ich irgendwie instinktiv gemacht und ich habe nicht viel darüber nachgedacht, ich habe ihn einfach gemacht. Ich hatte auch nicht so viel Zeit, den Film zu drehen, ich stand unter Druck, da die Frist der Bewerbung für die DFFB schon fast abgelaufen war. Vielleicht ist der Film deswegen ehrlich und authentisch. Ich freue mich, dass ich in dem Moment den Film gemacht habe, da er jetzt eine Erinnerung an meinem Vater darstellt und er bedeutet für mich ein schönes und positives Ergebnis aus einem schwierigen Erlebnis.

Filmteam Colón:
Deine Art Filme zu machen könnte man wohl am ehesten mit dem Begriff „Poetischer Film“ umschreiben. Möchtest du diesem Stil treu bleiben?

Veronica Santos:
Ja, auf jeden Fall möchte ich diesem Stil treu bleiben. Auf diese Weise habe ich das Gefühl, dass ich meiner Wahrnehmung und meiner Arbeitsweise treu bin, da dieser Stil sich so entwickelt hat und ich so gut wie keinen bewussten Einfluss darauf gehabt habe. Ich bin der Meinung, wenn man als Künstler nicht ehrlich und authentisch bleibt, verliert die Arbeit sehr an Qualität, da der Unterschied zwischen Kunst und Nichts in der Ehrlichkeit liegt.

Filmteam Colón:
Welchen Rat würdest du jungen Menschen in Deutschland und auch jungen Menschen aus anderen Ländern, die zum Studium nach Deutschland kommen, mit auf den Weg geben, wenn sie eine Karriere im Filmgeschäft anstreben?

Veronica Santos:
Ich würde auf jeden Fall empfehlen, viel Mut und Motivation aufzubringen, vor allem nie aufgeben, da das Studium des Films in Deutschland alle andere als einfach ist, vor allem ist es sehr schwer, einen Studienplatz zu bekommen. Dennoch lohnt es sich, wenn man es schafft, deswegen muss man immer an die eigene Arbeit und an sich selbst glauben. Es geht nicht darum, besonders viel Talent zu haben, es geht mehr darum, wie stark man etwas selbst wünscht, und um die Bereitschaft, die man hat, um ernsthaft ein Ziel zu erreichen.

Filmteam Colón:
Was sind deine nächsten Pläne?

Veronica Santos:
Ich weiß noch nicht so genau, wie es nach dem Abschluss meines Studiums weiter gehen wird. In jedem Fall wünsche ich mir, einen guten Job im Bereich Film zu bekommen und in Berlin wohnen zu können. Ich würde gerne bei verschiedenen Projekten mitmachen und die Gelegenheit haben, mich dabei mit meiner eigenen Arbeit zu beschäftigen, so dass ich mich als Künstlerin und Filmemacherin weiter entwickeln kann.

Filmteam Colón:
Wann können wir wieder einen Film von dir in unserer Reihe im Metropolis-Kino zeigen?

Veronica Santos:
Momentan arbeite ich an der Post-Produktion meines letzten Projekts. Es geht um eine Rockumentary über eine kolumbianische Band, die am Juni dieses Jahres auf Tournee durch verschiedene Städte Deutschlands gewesen ist. Sobald der Film fertig ist, würde ich den Film gerne innerhalb der Film-Reihe von Colón im Metropolis-Kino zeigen!

Filmteam Colón:
Veronica, wir danken dir ganz herzlich für dieses Gespräch und wünschen dir alles Gute für deinen beruflichen Werdegang! Und wir freuen uns sehr darauf, deinen nächsten Film bald präsentieren zu können (und dann natürlich noch viele weitere Filme von dir).


EIN ABSCHIED: Ein Kurzfilm, für den wir um eure Aufmerksamkeit bitten möchten.