Sonntag, 23. Oktober 2016

Tipps für das METROPOLIS Kino Hamburg im November 2016



Nachdem ich Ende September überhaupt nicht dazu gekommen bin, Tipps für das Oktober-Programm im METROPOLIS zu geben, klappt es jetzt wieder. Hier sind einige Empfehlungen für (hoffentlich recht viele) anregende und schöne Stunden im November im METROPOLIS Kino. 

In unserer Filmreihe DaF zeigen wir am 9.11. (19.00) Özgür Yildirims tempo- und visuell einfallsreichen Science-Fiction-Thriller BOY 7 mit David Kross in der Hauptrolle. Matthias Bollingers schräge Kamerawinkel und der dämonische Heimleiter Isaak Fredersen (Fritz Langs METROPOLIS lässt grüßen) lassen Anspielungen auf Filme des Deutschen Expressionismus der 1920er Jahre deutlich erkennen. Regisseur Özgür Yildirim ist gebürtiger Hamburger und ließ den Film teilweise in Hamburg drehen. Den Trailer und weitere Infos zum Film erhalten Sie in diesem Blogpost.




Vom 19. – 27.11. steigt im METROPOLIS das CINEFEST – das Internationale Festival des deutschen Film-Erbes, das in diesem Jahr unter dem Motto GEBROCHENE SPRACHE – FILMAUTOREN UND SCHRIFTSTELLER DES EXILS steht und u.a. mit Alexis Granowskys DAS LIED VOM LEBEN (D 1930/31), Robert Siodmaks DER MANN, DER SEINEN MÖRDER SUCHT (D 1930) und G.W. Pabsts DU HAUT EN BAS (F 1933) aufwartet. Hier können Sie das komplette Programm einsehen. 

Ebenfalls filmhistorisch wird es in der Reihe BRD-KINO DER 1950ER JAHRE. Das Filmfest Locarno widmete in diesem Jahr bundesdeutschen Werken aus den Nachkriegsjahren, die vielen von uns nahezu gänzlich unbekannt sein dürften, die Retrospektive GELIEBT UND VERDRÄNGT – DAS KINO DER JUNGEN BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND VON 1949 BIS 1963 und hat damit offenbar den Nerv der Zeit getroffen, denn jetzt werden wir in Hamburg einige dieser vergessenen Schätze entdecken können. 

Rüdiger Suchsland schrieb für den SWR zur Retrospektive in Locarno u.a. Folgendes: „Vor allem mit der anderen Seite dieses Kinos beschäftigt sich jetzt eine so groß angelegte, wie großartige Retrospektive beim Filmfestival von Locarno. Sie hebt das zu Unrecht vergessene und bei späteren Generationen verpönte westdeutsche Nachkriegs-Kino aus der Versenkung, zeigt seine enorme Modernität, seinen Avantgardismus, zeigt antibürgerliche, progressive Filme, und die mal abgründige und sperrige, oft komplexe Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.“ 

Wer mag, kann sich hier in einer Übersicht ansehen, welche Filme in Locarno in dieser Retro gezeigt wurden. Das schaut schon nach einer recht gelungenen Auswahl an Filmen des bundesdeutschen Nachkriegskinos jenseits von Heimatkitsch und Liebesschnulzen aus (es sollen 80 Filme in der Retro gezeigt worden sein). Man kann jetzt mal vermuten, dass das METROPOLIS nicht alle 80 Werke ins Programm nehmen wird, aber Will Trempers FLUCHT NACH BERLIN (BRD 1960), Helmut Käutners HIMMEL OHNE STERNE (BRD 1955), Gerhard T. Buchholz‘ POSTLAGERND TURTELTAUBE (BRD 1952) und Victor Vicas‘ ZWEI UNTER MILLIONEN (BRD 1961) sind im November schon mal dabei. Alles Weitere dazu auf der Themenseite des Kinos unter dem Titel BRD-KINO DER 1950ER JAHRE.

Ein ganz besonderes Highlight können Sie am 18.11. um 21.15 Uhr in der Reihe JAZZ IN SCHWARZ UND WEISS (Konzerte zu Stummfilmen) erleben. Sandra Hempel (Gitarre) und Hans-Christoph Hartmann (Saxophon) begleiten den Stummfilm BORDERLINE (GB/CH 1930) von Kenneth MacPherson. Man kann erneut sicher sein, dass das äußerst gekonnt geschehen wird. Weitere Veranstaltungen von JAZZ IN SCHWARZ UND WEISS finden Sie bei Audio Obscura

Kenneth MacPherson war beeinflusst von den Arbeiten von G.W. Papst und Sergei Eisenstein und nutzte in BORDERLINE experimentelle Avantgarde-Techniken. Der Film war zudem bahnbrechend in seiner Behandlung der Themen Rasse und Sexualität.  

In der äußerst lehrreichen und spannenden Reihe KINO FILM GESCHICHTE wird am 14.11. (19.00) Roberto Rossellinis GERMANIA ANNO ZERO (Italien 1947) gezeigt. Bernd Allenstein wird zu dem Film referieren und nach der Filmvorführung gibt es ausreichend Möglichkeit, sich im Kinosaal über den Film und filmhistorische Aspekte auszutauschen.

Und das lässt sich dann am 28.11. (19.00) bei Fritz Langs DIE 1000 AUGEN DES DR. MABUSE (BRD 1960) fortsetzen.

Eine meiner Pinterest-Pinnwände trägt den Titel Filme, die ich sehen möchte und bisher konnte ich kaum etwas von dieser Liste abhaken. Umso erfreuter bin ich, dass ich im November bei CHINA TIME 2016 Gelegenheit haben werde, mit CROSSCURRENT (China 2015) von Yang Chao eine der Filme, die ich sehen möchte, im METROPOLIS sehen zu können. Sieben weitere Filme und mehrere Kurzfilme des zeitgenössischen chinesischen Kinos stehen auf dem Programm, das man auf der Themenseite des Kinos einsehen kann.


Mit NEUES INDISCHES KINO gibt es im November eine weitere Länderreihe, in der aktuelle indische Filmproduktionen entdeckt werden können und auf die man sehr gespannt sein kann. 

Hinweisen möchte ich auch noch auf die Reihe CINEPORT – HAFENFILME, die das METROPOLIS in Kooperation mit dem Hafenmuseum Hamburg ausrichtet. Am 30.10. um 19.00 Uhr wird THE YARD (YARDEN, Schweden/Deutschland 2016, Regie: Måns Månsson) diese Reihe eröffnen, die Geschichte eines erfolglosen Schriftstellers, der sich gezwungen sieht, eine Arbeit am Yarden aufzunehmen, einer Verladestation für PKW am Hafen von Malmö. Die Arbeit ist schlecht bezahlt und die Mitarbeiter werden von der Unternehmensleitung nur als Nummern geführt (so sieht Kapitalismus in Zeiten der Globalisierung aus). Da der Schriftsteller der einzige schwedische Mitarbeiter unter Migranten ist, wird er von den Kollegen argwöhnisch beobachtet, denn sie halten ihn für einen Spion der Geschäftsleitung.

“A middle-aged Swedish poet loses his place among the cultural elite, forcing him to make ends meet by performing dehumanizing manual labor alongside immigrants at the Port of Malmo in “The Yard,” Mans Mansson’s highly cinematic, entirely unsentimental adaptation of the prize-winning novel of the same name by Kristian Lundberg.” Variety
 

Am 5.11. (19.00) gibt es dann in dieser Reihe mit WINDJAMMER (USA 1957/58) von Louis de Rochemont III und Bill Coleran einen der größten Dokumentarfilmerfolge der 1950er Jahre. Der Film begleitet die Reise des Segelschulschiffes Christian Radich von Oslo über die Karibik nach New York. 

Auch die Reihe KINO GLOBAL läuft im November weiter. Am 3.11. (19.00) wird URMILA – FÜR DIE FREIHEIT (D 2016, Regie: Susanne Gluth) zu sehen sein. Es ist die Geschichte von Urmila Chaudhary, die im Süden Nepals lebend als Sechsjährige von ihren Eltern als Haushaltssklavin in die Hauptstadt verkauft wurde. Zwölf Jahre später gelang ihre Befreiung und Urmila setzt sich seitdem für die Organisation "Freed Kamalari Development Forum" (FKDF) gegen das offiziell abgeschaffte System der Leibeigenschaft und somit gegen jahrhundertealte Gesellschaftsstrukturen in ihrer Heimat ein. Die Regisseurin Susanne Gluth wird am 3.11. als Gast im METROPOLIS erwartet.


Am 31.10. (19.00) können Sie zudem noch Kim Mordaunts THE ROCKET (AUS 2013) sehen. Der Film spielt in Laos und erzählt die Geschichte eines Jungen, der mit seiner Familie nach dem Verlust des Hauses durch das kriegszerrüttete Land reist und bei einem Raketenfestival beweisen will, dass er nicht nur Unglück über andere Menschen bringt.
Am 15.11. (19.00) schließt dann TAXI TEHERAN (Iran 2015) von Jafar Panahi, der bei der Berlinale 2015 den Goldenen Bären erhielt, die Reihe KINO GLOBAL ab.

FILMLAND POLEN zeigt am 6.11. (16.00) Kinga Debskas MEINE TÖCHTER, KÜHE (MOJE CÓRKI KROWY, Polen 2015). In dem Film geht es um zwei Schwestern, die sich eigentlich nicht so recht leiden können, aber durch die Erkrankung der Mutter zueinanderfinden.   

Das sind natürlich nur einige Highlights aus dem Programm des METROPOLIS im November. Was es sonst noch zu sehen gibt, entnehmen Sie gern der Webseite des Kinos. Weitere entdeckenswerte Filme finden Sie beispielsweise in den Reihen NEUE FILMKUNST – DIE SAISON DER SAMURAIS, SOULFOOD CINEMA – ROMA IN EUROPA, BIZARRE CINEMA und dokART



Erster November

Da draußen ist frühe Nebelnacht,
Die hat den Tag um Stunden bestohlen,
Hat aus den Fenstern Laternen gemacht.
Ich möchte mir den Mond herholen,
Daß ich einen hätt', der ewig lacht,
Denn die Nacht ist wie ein schwarzes Bett.
Dort hat der Tod, wie auf Lagern aus Kohlen,
Gedankenlos als Dieb seine Ruhestätt'.
Weiß nicht, ist die Stadt draußen klein oder groß,
Ob Menschen drin hausen, oder bin ich allein,
Denn ein jeder Tag schwarz wie der Fluß fortfloß,
Und beklagt gingen viele zur Nacht hinein.
Auch Vater und Mutter haben gefragt,
Und niemandem wurde der Weg gesagt.
Auch Vater und Mutter wurden zu Stein,
Ein Stein, der sich über dem Grabe schloß.
Drauf lese ich heut' ihre Namen bloß,
Nur noch die Namen sind beide mein.
Woher sie kamen, wohin sie gingen, -
Ich kann die Nacht nicht zum Reden zwingen.

 Max Dauthendey