Montag, 10. Dezember 2018

Unser Dankeschön an alle Besucher von DaF!



Für uns war’s das schon in diesem Jahr mit unserer Filmreihe DaF (Deutsch als Fremdsprache – Deutsch als Filmsprache) im METROPOLIS Kino. Und es hat uns erneut sehr viel Spaß gemacht.

Wir danken allen Besuchern von DaF im METROPOLIS Kino und hoffen, Sie und euch im nächsten Jahr wieder begrüßen zu können. Am 16. Januar 2019 geht es wieder los mit DaF.  

Kommen Sie gut ins neue Jahr!

Donnerstag, 6. Dezember 2018

DER VORNAME im Januar 2019 bei DaF im METROPOLIS Kino Hamburg


Darf man in Deutschland sein Kind Adolf nennen? In Sönke Wortmanns Gesellschaftskomödie DER VORNAME kündigt der Unternehmer Thomas (Florian David Fitz) beim Besuch seiner Schwester Elisabeth (Caroline Peters) und deren Ehemann, dem Literaturprofessor Stephan (Christoph Maria Herbst), an, er und seine Freundin Anna wollten genau das tun. Ein gemütlich geplantes Abendessen wird zu einem bitterbösen Streitgespräch, in das auch der Familienfreund René und Anna hineingezogen werden. Es geht um Jugendsünden, Kindererziehung, die richtigen Lebensformen, Politik. Sie werfen einander all das vor, was sie zwar schon immer gedacht haben, aber vielleicht nie ausgesprochen hätten. Wir Zuschauer jedoch können uns genüsslich zurücklehnen und uns herrlich amüsieren. Denn wie epd film anmerkte: „Schöner wurde in deutschen Komödien selten gestritten.“ 

DER VORNAME basiert auf dem französischen Theaterstück LE PRÉNOM, das in Frankreich im Jahr 2012 von Alexandre De La Patellière und Matthieu Delaporte verfilmt wurde. Sönke Wortmann hat seinen Film auf deutsche Verhältnisse zugeschnitten, wo der Vorname Adolf natürlich nochmals eine ganz besondere Bedeutung erlangt.


Wissenswertes: Laut dem Namenkundlichen Zentrum in Leipzig wurde der Vorname Adolf zwischen 2006 und 2013 in Deutschland dreizehnmal vergeben.

„Kaum eine Frage an werdende Eltern ist heikler als die nach dem Namen für den Nachwuchs. Doch was passiert, wenn das Kind "Adolf" heißen soll? In Sönke Wortmanns neuem Film "Der Vorname" laufen Christoph Maria Herbst, Florian David Fitz und Caroline Peters zur Höchstform auf. Für seine filmische Adaption des Theaterstücks "Le Prénom" versetzt Regisseur Sönke Wortmann die Handlung aus der Pariser Bourgeoisie ins deutsche Gutbürgertum.“ SWR 


"Im Laufe ihres Zanks machen alle Figuren Argumente und strategische Schachzüge, die ihrem Klischee entsprechen – und welche, die ihm klar widersprechen. Dadurch gewinnen alle Streithähne an Identifikationspunkten – und dieses „Wie, jetzt bin ich auf dessen Seite?“-Gefühl, das „Der Vorname“ so auslöst, hat in der heutigen, entmenschlichten Streitkultur durchaus Wert. Fazit: In „Der Vorname“ fliegen die verbalen Fetzen, und das Ensemble hat ansteckende Freude daran: Filmreif ausgeleuchtet und flott erzählt macht Sönke Wortmann aus einem französischen Theaterstück eine sehr deutsche, dennoch sehr lustige Film-Angelegenheit.“ Wessels Filmkritik 


„Ein großes Vergnügen ist diese Adaption eines französischen Stücks, das mit seiner Ausgangsidee, den natürlich gerade in Deutschland aus offensichtlichen Gründen verpönten Vornamen Adolf wiederzuentdecken, geradezu nach einer deutschen Adaption verlangt hat. Die hat nun Sönke Wortmann in seinem besten Film seit Jahren erfolgreich vorgelegt.“ Programmkino 

Am 16.1.2019 (19.00) bei DaF im METROPOLIS Kino Hamburg:

DER VORNAME
Deutschland 2018
Regie: Sönke Wortmann
Lauflänge: 91 Min.

Fotos und Trailer: obs/Constantin Film

Donnerstag, 15. November 2018

BALLON am 5.12.2018 bei DaF im METROPOLIS Kino Hamburg


Zum Abschluss unseres DaF-Jahres im METROPOLIS Kino zeigen wir den vielleicht spannendsten deutschen Film aus dem Jahr 2018: Michael (Bully) Herbigs BALLON über die Flucht zweier Familien aus der DDR nach Westdeutschland in einem selbstgebauten Heißluftballon.

Herbig, der für seine Komödien bekannt wurde, ist ein nervenaufreibender Thriller gelungen, wie man sie so im deutschen Kino eher selten findet. Die Familien Strelzyk und Wetzel, denen im Jahr 1979 die spektakuläre Flucht gelang, standen Herbig bei der Realisierung des Stoffes beratend zur Seite und sollen sehr zufrieden mit dem Endergebnis sein.

Im Vergleich zum Hollywood-Film MIT DEM WIND NACH WESTEN (Originaltitel NIGHT CROSSING) von Delbert Mann aus dem Jahr 1982 bildet Herbig in BALLON jedoch auch die politischen Hintergründe in der DDR ab und lässt, wie schon Andreas Dresens GUNDERMANN (den wir im November gezeigt haben), erkennen, wie schwierig es war, sich in der DDR linienkonform zu verhalten und Repressalien zu entgehen. So werden dann auch die DDR-Grenzsoldaten, die den ersten (gescheiterten) Fluchtversuch mit einem Ballon nicht bemerkt haben, abserviert und der Oberleutnant Seidel (ganz großartig gespielt von Thomas Kretschmann), der die Untersuchungen leitet und einen weiteren Fluchtversuch verhindern soll, steht enorm unter Druck. 

Die rundum gelungene Ausstattung, der tolle Schnitt und eine perfekt eingesetzte Filmmusik tragen ebenso wie die Geschichte des dramatischen Wettlaufs mit der Zeit zwischen den beiden Familien und der Stasi, die ihnen auf der Spur ist, zur atemlosen Spannung bis zum Schluss bei.


„Vom ersten Moment an hält Herbig die Spannung hoch, und sie lässt in den folgenden 120 Minuten nur selten nach. Die Ballonfahrt inszeniert er als unglaublich spannende Tour de Force, die Kleinigkeiten als tödliche Gefahren in den Vordergrund rückt. In den weniger mitreißenden Sequenzen schafft er eine Atmosphäre des Misstrauens, wie man sie sich in jenen Tagen der DDR vorstellt. Der Zuschauer wird mit hineingezogen in dieses Misstrauen. Jeder Passant scheint einen zu beobachten, jeder scheint einen zu verfolgen.“ kino-zeit

„Herbig gelingen sehr emotionale Momente. Er schafft auch Bilder, die sich einbrennen, etwa wenn die Strelzyks in Ostberlin vom Hotel aus auf den Westen schauen, was aber von außen als Spiegelung durchs Glas gezeigt wird, wodurch die Familie umso eingesperrter wirkt. Man sieht hier dem Filmemacher dabei zu, wie er sich völlig neu erfindet. Ein Regisseur, der die ganze Klaviatur des Spannungskinos bedient. Und dem es gelingt, dass man bis zur letzten Minute mitbangt, obwohl das Ende bekannt ist. Ganz zuletzt gibt es eine bittere Pointe. Als die Flüchtigen in Oberfranken landen, fragt ein Bayer: »Wie viele kommen denn da noch?« Da ist der Film plötzlich ganz nah an der heutigen Flüchtlingskrise. Und macht deutlich, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass auch Deutsche geflohen sind, weil sie keine ­Zukunft sahen.“ epd Film 


BALLON erhielt von der Deutschen Film- und Medienbewertung das Prädikat Besonders Wertvoll. 

Text: Regina Nickelsen, Colón Language Center


DaF am 5.12.2018 (19.00) im METROPOLIS Kino Hamburg

BALLON
Deutschland 2018
Regie: Michael Bully Herbig
Lauflänge: 117 Minuten

Fotos und Trailer: © STUDIOCANAL

Dienstag, 13. November 2018

Cinefest 2018 - XV. Internationales Festival des deutschen Film-Erbes im Metropolis Kino Hamburg 17. - 25.11.



Anlässlich der 100. Wiederkehr der Gründung der Weimarer Republik erinnern CineGraph und Bundesarchiv an den in Österreich geborenen Regisseur Joe May (1880-1954), einen der wichtigsten Filmschaffenden des Weimarer Kinos. 

Joe May war ein Pionier des deutschen Films, er machte den Detektivfilm in Deutschland bekannt und populär und leitete später die deutsche Monumentalfilmzeit ein. Mit seinen Filmen HEIMKEHR (22.11., 17.00 Uhr, im Metropolis) und ASPHALT (19.11., 18.30 Uhr, im Metropolis + 29.11., 20.15 Uhr, im Alabama) beide aus dem Jahr 1928, zeigte sich May sozial engagierter und realistischer als in seinen früheren Werken. Zwei Filme, die sich ganz besonders zu entdecken lohnen.   

Joe May emigrierte 1933 in die USA, konnte jedoch in Hollywood nie so richtig Fuß fassen und verarmte nach Abschluss seiner Karriere. Beim Cinefest sind sowohl sein wohl bedeutendster Hollywood-Film THE INVISIBLE MAN RETURNS (USA 1939/40) als auch sein letzter Film JOHNNY DOESN’T LIVE HERE ANYMORE (USA 1943/44) zu sehen. Termine im Metropolis: 25.11. um 14.30 Uhr bzw. 21.15 Uhr.

Wissenswertes am Rande: Joe May war Entdecker und Förderer von Fritz Lang.

Hier gibt es ausführliche Informationen zu Joe May. 
Das komplette Filmprogramm des Cinefest 2018 mit Details zu den Filminhalten und Terminen kann man hier einsehen. Die Stummfilme werden live musikalisch begleitet. 

In den Bücherhallen Hamburg findet noch bis zum 30.11.2018 die Ausstellung „Meister des Weimarer Kinos – Joe May und das wandernde Bild“ statt. 

Wir empfehlen: Cinefest besuchen und auch die Stummfilme mit sicherlich beeindruckender Livemusik erleben und genießen!



Mittwoch, 10. Oktober 2018

GUNDERMANN im November 2018 bei DaF im METROPOLIS Kino Hamburg


Im November 1989 begann mit der Öffnung der innerdeutschen Grenze und dem Fall der Mauer in Berlin das Ende der DDR. Wir zeigen am 14.11. Andreas Dresens großartigen Film GUNDERMANN, auch um daran zu erinnern, dass zur Geschichte Deutschlands auch die Geschichte der DDR gehört.


Gerhard Gundermann war ein bekannter Liedermacher in der DDR und später auch im wiedervereinigten Deutschland. Andreas Dresen kommt in seinem neuen Film GUNDERMANN diesem widersprüchlichen Charakter, der neben seiner musikalischen Karriere stets weiterhin als Baggerführer tätig blieb, der Freunde und Bekannte bespitzelte und selbst bespitzelt wurde, sehr nah: ein einfühlsamer, historischer Film, ein Heimatfilm, ein Musikfilm und gleichzeitig auch eine schöne Liebesgeschichte mit einem unglaublich starken Alexander Scheer als Gundi.

Gundi, ein Idealist, aber auch ein Rebell, der SED-Mitglied wurde, weil er an den Sozialismus glaubte. Dresen erzählt differenziert ohne Beschönigung am Beispiels Gundermanns die Schwierigkeit, auf dem schmalen Grad des Glaubens an eine Idee und des möglichen Verrats an Mitmenschen zu wandern.


"Gundermann" ist einer der reichsten, differenziertesten, tollsten Filme über die DDR. Und vielleicht der beste, den Dresen je gemacht hat, weil sich dessen Menschenfreundlichkeit hier am Ende nicht auf dem Parkplatz der Versöhnung abstellen lässt. Es bleibt etwas offen in "Gundermann". Spiegel Online 

„Darum ist der neue Film von Andreas Dresen auch sehr viel mehr als nur die Biografie des widersprüchlichen und früh verstorbenen Nachwende-Liedermachers Gundermann. Es ist ein kluger, einfühlsamer, vielschichtiger und vor allem auch sehr berührender Beitrag zur deutschdeutschen Geschichte, zu einem differenzierteren, menschlicheren Umgang damit. Ein ehrliches Ringen mit individuell erlebter Vergangenheit, ganz ohne arrogante Zeigefinger-Besserwisserei.“ epd Film 

Text: Regina Nickelsen (Colón Language Center)


Am 14.11.2018 (19.00) bei DaF im METROPOLIS Kino Hamburg:

GUNDERMANN
Deutschland 2018
Regie: Andreas Dresen
Lauflänge: 127 Minuten

Trailer + Fotos: © Pandora Film 

Sonntag, 7. Oktober 2018

Rückblick auf ein tolles Filmfest Hamburg 2018


Es begann bei herrlichem September-Wetter am 27.9. und endete bei herrlichem Oktober-Wetter am 6.10. und war ein tolles Filmfest.
Sechzehn Filme konnte ich ansehen und es gab keine Ausfälle, sondern viel, viel großes Kino.


Meine neun Favoriten (beim Klick auf den Titel gelangt man zu mehr Infos und Trailern auf der Webseite des Filmfest Hamburg):

LETO (Russland 2018), Kirill Serebrennikows musikalische Reise durch die Rockszene St. Petersburgs in den 1980er Jahren. Ein lebensbejahender, berührender, einfach schöner Film, den man einfach lieben muss, wenn man Musik und insbesondere die Musik der 80er Jahre mag. Echtes Highlight beim Filmfest Hamburg 2018, das im Kinosaal mit reichlich Beifall und Jubel bedacht wurde. Toll!

BUENOS AIRES AL PACIFICO (Argentinien 2018) von Mariano Donoso, ein wirklich sehr schönes filmisches Essay mit herrlichen, poetischen Schwarzweißbildern.


ROMA (Mexiko 2018) von Alfonso Cuarón. Was für ein Genuss, diesen wundervoll in Schwarzweiß fotografierten Film beim Filmfest Hamburg auf der größten Leinwand Hamburgs im Saal 1 des CinemaxX Dammtor ansehen zu können.

"Was ist Kino?" fragte Katja Nicodemus in der ZEIT, nachdem ROMA in Venedig den Goldenen Löwen gewonnen hatte und beantwortete ihre Frage sogleich: „Diese Frage kann man nach den 75. Filmfestspielen von Venedig auch mit einem einzigen Wort beantworten: Roma. In aller Stille entwickelt der Gewinnerfilm des Regisseurs Alfonso Cuarón eine erzählerische Wahrhaftigkeit – und hinterlässt einen berührenden Nachhall.“ 

Hoffen wir, dass ROMA, obgleich es eine Netflix-Produktion ist, dennoch den Weg auf Kinoleinwände findet, denn das ist der richtige Platz für dieses Meisterwerk.   

THE IMAGE YOU MISSED (Irland 2018) von Dónal Foreman war meine erste Wahl nach Durchsicht des Programms des Filmfest Hamburg und ich wurde keineswegs enttäuscht. Es ist ein sehr persönlicher Essayfilm, in dem Foreman das Erbe seines Vaters, des Dokumentarfilmers Arthur MacCaig, aber auch seine niemals wirklich vorhandene Beziehung zu ihm, aufarbeitet. Doch der Film ist mehr als ein filmischer Dialog zwischen Vater und Sohn, er erinnert auch an den Nordirlandkonflikt und die IRA. Die Irish Times hat sich sehr ausführlich mit THE IMAGE YOU MISSED auseinandergesetzt. 


FIRST MAN / AUFBRUCH ZUM MOND (USA 2018, Deutschlandpremiere beim Filmfest Hamburg) von Damien Chazelle mit Ryan Gosling als Neil Armstrong. Chazelle hat die Biografie „First Man: The Life of Neil A. Armstrong“ von James R. Hansen verfilmt (die mir nicht bekannt ist) und daher ist sein Film eher ein Biopic eines Mannes geworden, der sich dem Tod seiner kleinen Tochter nicht stellen kann, aber den eigenen Tod nicht fürchtet. Sehr spannend fand ich die recht realistische Darstellung der aufreibenden Vorbereitungen der ersten Mondmission, die diversen Testflüge in recht klapprig anmutenden (sehr engen) Raumschiffen mit großen technischen Problemen, die mehreren Astronauten das Leben kosteten, bevor Apollo 11 dann auf dem Mond landen und Neil Armstrong als erster Mensch seinen Fuß auf unseren Trabanten setzen konnte. Der Wettlauf im Weltraum mit der Sowjetunion zu Zeiten des Kalten Krieges kommt auch nicht zu kurz. Ein wirklich empfehlenswerter Film, der auch visuell überzeugt. Und ich bin immer noch fasziniert davon, wie es gelingen konnte, im Jahr 1969 mit einer für heutige Verhältnisse vorsintflutartigen Technik auf dem Mond zu landen und vor allem auch wieder von dort wegzukommen. FIRST MAN kommt am 8.11.2018 in deutsche Kinos.

A LAND IMAGINED (Singapur 2018) von Yeo Siew Hua. In diesem Film verschwimmen Realität und Traum zwischen starken Bildern eines dystopischen Singapurs. Yeo Siew Hua, der ein großer Fan des Film Noir ist, wie er im Q&A kundtat, macht es den Zuschauern nicht ganz leicht, das aber vermag durchaus zu faszinieren. Neben den dokumentarischen Elementen der Bauarbeiten zur Landgewinnung des Stadtstaates Singapur, spielt auch die Ausbeutung der Gastarbeiter eine gewichtige Rolle. A LAND IMAGINED erhielt beim Filmfestival in Locarno kürzlich den Hauptpreis und ist für mich eine echte Entdeckung. Ich bin sehr gespannt auf weitere Werke dieses jungen Regisseurs.


VILLE NEUVE (Kanada 2018). Sehr schön animiert und poetisch in Wort und Bild von Félix Dufour-Laperrière, dessen filmisches Essay TRANSATLANTIC mich 2015 beim Filmfest Hamburg schon außerordentlich beeindruckt hat. Man mag sich die Frage stellen, warum die Geschichte eines geschiedenen Paares, das in einem abgelegenen Haus am Meer wieder zueinander findet, verwoben mit dem Referendum zur Unabhängigkeit Québecs im Jahr 1995 in animierter Form erzählt werden muss. Sie muss es sicherlich nicht, aber mich hat gerade diese künstlerische Form dazu gebracht, mir den Film anzusehen. Und ich bereue es keineswegs.

WE THE ANIMALS (USA 2018) von Jeremiah Zagar. Sehr nach meinem Geschmack. Zagar (eigentlich ein renommierter Dokumentarfilmer) hat den poetischen Roman von Justin Torres gekonnt umgesetzt. Es war das zweite Screening des Films beim Filmfest Hamburg im ausverkauften Saal 2 des CinemaxX Dammtor. Der Applaus nach der Vorführung (ohne Gast) zeigt, dass dieses berührende und bildlich toll komponierte Drama um drei Brüder in schwierigen familiären Verhältnissen, das Erinnerungen an Terrence Malicks THE TREE OF LIFE aufkommen lässt, auch anderen Besuchern gefallen hat.

GEGEN DEN STROM von Benedikt Erlingsson, politische Komödie vor der traumhaften Kulisse Islands mit der tollen Darstellerin Halldóra Geirhardsdóttir, die am Donnerstag das Filmfest eröffnete. Ich hatte die Gelegenheit, den Film in seiner zweiten Vorstellung im Passage Kino mit vielen weiteren begeisterten Besuchern anzusehen. Halldóra Geirhardsdóttir spielt eine Umweltaktivistin, die mit gewagten und spektakulären Aktionen ganz allein der lokalen Aluminiumindustrie den Garaus machen möchte.
Da kann ich jetzt wirklich nur alle Filmliebhaber, die GEGEN DEN STROM beim Filmfest Hamburg zweimal verpasst haben, beglückwünschen, dass Pandora Film Verleih ihn am 13.12.2018 in deutsche Kinos bringen wird. Dann aber sollte man Versäumtes unbedingt nachholen. Das ist wirklich ein eindrucksvoller Film. Auf ein informatives und amüsantes Q&A mit Halldóra Geirhardsdóttir wird man allerdings möglicherweise verzichten müssen.

GEGEN DEN STROM wird übrigens für Island ins Oscar-Rennen gehen und wurde beim Filmfest Hamburg mit dem Art Cinema Award des Internationalen Verbands der Filmkunsttheater (C.I.C.A.E.) ausgezeichnet.


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Auch schön bzw. spannend oder interessant:

MALILA: THE FAREWELL FLOWER (Thailand 2017) von Anucha Boonyawatana im ziemlich gut gefüllten kleinen Kinosaal des Abaton. Ein wirklich sehr schöner, fast meditativer Film, der für Thailand ins Oscar-Rennen gehen wird.

THE IMAGE BOOK / LE LIVRE D‘IMAGE (Schweiz 2018), Jean-Luc Godards fragmentarische Momentaufnahme der aktuellen Weltsituation im ausverkauften kleinen Saal des Abaton. Godard ist immer noch Godard, auch wenn seine filmischen Wege heutzutage in eine noch experimentelle Richtung gehen. Wer aber die Kritiken nach der Premiere des filmischen Essays im Mai in Cannes ein wenig verfolgt hat, wusste worauf er sich einließ und das galt wohl für den Großteil der Besucher. Ein wilder Super Cut , ein Gedankenfluss in Bildschnipseln und Worten, nicht wirklich zu fassen, sondern für Interpretationen und reichlich Diskussionen offen. Bevor man sich an diese Arbeit macht, kann man es vielleicht auch so zusammenfassen wie Indie Wire: “Have all the fun you want, because everybody’s doomed anyway.“ 

HOTEL BY THE RIVER (Südkorea 2018), melancholisches Drama mit humorvollen Momenten und sehr schönen Schwarzweißbildern von Hong Sang Soo.

WE, THE DEAD (Malaysia 2017) von Edmund Yeo. Eine junge Frau möchte nach Taiwan, aus Myanmar flüchtete Rohingya scheinen ihr eine gute Gelegenheit zu bieten, als Schlepperin an das nötige Geld dafür zu kommen. Auch wenn der Film das Leid der Rohingya teils vermitteln kann, ist es doch eher ein Film über die Protagonistin Ling und ihr persönliches Leiden, wobei nicht klar wird, warum sie unglücklich ist und unbedingt von Malaysia nach Taiwan auswandern möchte. Die zweite Hälfte des Films dreht sich dann auch nur noch um sie und den jungen Krankenpfleger, der sie auf ihrer Flucht vor den Menschenhändlern, die sie als Verräterin betrachten, begleitet. Eingeschlossen ist eine recht lange Rückblende, in der man diesen Krankenpfleger bei der Arbeit sieht, wo er eine junge Patientin pflegt und von der er beim Treffen mit Ling glaubt, es sei Ling gewesen. So ganz fügt sich diese Rückblende nicht ein und somit bleiben die Teile des Filmes ein wenig unzusammenhängend.

THE PLUTO MOMENT (China 2018) von Zhang Ming über eine Reise von Filmemachern in die chinesische Provinz. Einige sehr humorvolle Momente, allerdings fehlte mir etwas die Tiefe in den Charakteren, die bei ihren Filmaufnahmen für einen Dokumentarfilm auf ungeahnte Hindernisse stoßen und denen auf ihren recht beschwerlichen Wegen Zeit für eine Selbstbesinnung bliebe. Sehr gelungen war jedoch die Szene, in der der Arthouse-Regisseur Zhun sich von einem einfachen Landbewohner sagen lassen muss, es gehe ihm offenbar gut, er sei fett und gut angezogen. Genau das hatte dieser Regisseur dem Regisseur eines Blockbusters zuvor vorgeworfen. Erfreulich auch, dass die wohl interessanteste Figur die Kamerafrau ist, die den Regisseur zwar aufgrund seiner Arbeit als Regisseur bewundert, ihm menschlich jedoch nicht allzu viele Qualitäten zuerkennt.

DOGMAN von Matteo Garrone – ein naiver Hundefriseur in einer italienischen Gesellschaft, die von Armut, Gier nach Geld, Kriminalität und Zerfall geprägt ist. Marcello Fonte spielt den Hundepfleger und Teilzeit-Drogendealer, der die Hunde (auch wenn sie fast größer sind als er selbst und recht böse erscheinen) sämtlich zur Ruhe bringen kann, wirklich großartig, der Preis für den besten Darsteller in Cannes scheint schon sehr gerechtfertigt. Was Marcello bei den Hunden erreicht, will ihm aber so ganz und gar nicht mit dem gewalttätigen Kriminellen Simone gelingen, der den Ort tyrannisiert und dessen Freund Marcello so gern wäre. Ein Film mit Männern und Hunden, Frauen tauchen in DOGMAN lediglich als Prostituierte und Mütter auf. So gebührt dann die schönste Szene auch der Rettung eines Hundes aus einem Gefrierfach.


Nicht ganz überzeugend:

Dominga Sotomayor Castillos TOO LATE TO DIE YOUNG (Chile 2018), für den sie in Locarno als erste Frau den Preis für die beste Regie einstreichen konnte, hat mich persönlich etwas enttäuscht. Zugegeben ein sehr schön fotografiertes Drama mit Bildern, die teils wie Gemälde anmuten, das beeindruckt schon, die Story fand ich persönlich allerdings recht dünn. Mit Coming-Of-Age-Filmen tue ich mich gelegentlich schwer, so auch mit der Story in TOO LATE TO DIE YOUNG, dessen Titel ich auch eher unpassend finde. Eine Gruppe von Außenseitern schafft sich im Sommer 1990 weit entfernt vom städtischen Treiben am Fuße der Anden ein neues Leben. Das klingt eigentlich sehr gut, zumal in chilenischen Zeiten kurz nach dem Ende der Diktatur. Die Tat von Gegnern der Kommune (eine absichtlich blockierte Wasserleitung) wird jedoch nicht näher verfolgt, stattdessen widmet sich die Regisseurin und Drehbuchautorin dem jungen Mädchen Sofia, die bei ihrem Vater in der Kommune lebt und gerne zu ihrer Mutter nach New York gehen würde. Die Mutter scheint daran dummerweise kein Interesse zu haben und so hängt sich Sofia an einen Mann, der mindestens doppelt so alt ist wie sie und der nur sexuelles Interesse an ihr hat. Den Jungen Luca, der in sie verliebt ist, weist sie hingegen zurück. Dominga Sotomayor Castillo ist selbst in einer Kommune aufgewachsen und diese Geschichte ist möglicherweise ein bisschen auch ihre Geschichte. Geschmäcker und Interessen sind verschieden, mich hat dieses Werk nicht so ganz angesprochen.


Mir ist bewusst, dass ich beim Filmfest Hamburg 2018 tolle Filme gesehen habe (mehr als sechzehn konnten es neben der Berufstätigkeit leider kaum werden), mir ist jedoch auch bewusst, dass ich diverse tolle Filme verpasst habe, beispielsweise fast alle mit Preisen ausgezeichneten Produktionen (alle Infos dazu gibt es hier), nämlich:

SIBEL (Hamburger Produzentenpreis für Europäische Kino-Koproduktionen)
DAS SCHÖNSTE PAAR (Hamburger Produzentenpreis für deutsche Kinoproduktionen)
AUFBRUCH IN DIE FREIHEIT (Hamburger Produzentenpreis für deutsche Fernsehproduktionen)
UNSERE KÄMPFE (Preis der Filmkritik)  
LITTLE TICKLES (NDR-Nachwuchspreis)  
ON HER SHOULDERS  (Der Politische Film der Friedrich-Ebert-Stiftung) 
AMIN (Sichtwechsel Filmpreis)
SOLSIDAN (Commerzbank-Publikumspreis im Rahmen der Sektion »Eurovisuell«)
SUPA MODO (MICHEL Filmpreis)
DREI GESICHTER (Iran 2018, der im Rahmen der Verleihung des Douglas-Sirk-Preises an Jafar Panahi gezeigt wurde).

Auch auf TRAUTMANN habe ich zugunsten von LETO verzichten müssen, konnte allerdings zumindest bei KLAPPE AUF (Talk-Reihe des BFFS) Marcus H. Rosenmüller, Regisseur und Drehbuchautor des Films, im Gespräch mit Sebastian Faust erleben.


Ebenfalls durch das Setzen von Prioritäten verloren gegangen:

MONROVIA, INDIANA (USA 2018), der neue Dokumentarfilm von Frederick Wiseman. 
DER TRAFIKANT von Nikolaus Leytner (Österreich 2018) 
THE WILD PEAR TREE (Türkei 2018) von Nuri Bilge Ceylan. 
NUR EIN KLEINER GEFALLEN von Paul Feig (USA 2017). 
THE FAVOURITE (GB 2018) von Yorgos Lanthimos. 

Und viele mehr ….  

Vielen Dank für das erneut wundervolle Filmfest Hamburg 2018 ! Ich freue mich auf die Ausgabe 2019, die vom 26.9. bis zum 5.10. steigen wird!


Freitag, 21. September 2018

Tipps für das Filmfest Hamburg 2018

Der Vorverkauf für das Filmfest Hamburg 2018 hat begonnen! Karten erhält man sowohl online über die Webseite als auch in den teilnehmenden Kinos METROPOLIS, Passage, Studio, Abaton und CinemaxX Dammtor sowie im Levantehaus.

Nur online gibt es die Möglichkeit insgesamt 15 Karten zum Preis von 100 € (15er-Online-Spezial) bzw. 10 zum Preis von 70 € (10er-Online-Spezial) zu erwerben. Das Verfahren ist ein wenig umständlich, aber mit ein wenig Geduld kommt man schon an Tickets für seine Wunschfilme. Da das Programm wirklich toll ausschaut, lohnt es unbedingt, mehrfach zuzuschlagen.

 

Das Filmfest Hamburg läuft vom 27.9. bis zum 6.10.

Der Douglas-Sirk-Preis wird in diesem Jahr an den iranischen Regisseur Jafar Panahi verliehen. Die Veranstaltung findet am 4.10. (19.30) statt. 


Meine Tipps (der Klick auf den Filmtitel führt zu weiteren Infos auf der Webseite des Filmfests)

DOGMAN von Matteo Garrone (Italien 2018). Der leise Thriller um einen Hundepfleger in einem heruntergekommenen italienischen Seebad, der nach einer nicht begangenen Tat zu einer Haftstrafe verurteilt und später aus der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen wird, feierte im Mai seine Premiere in Cannes und erhielt höchstes Kritikerlob. Hauptdarsteller Marcello Fonte erhielt in Cannes den Preis für den besten Darsteller.   

WE THE ANIMALS von Jeremiah Zagar nach einem Roman von Justin Torres (USA 2018). Die Geschichte dreier Brüder, die in recht schwierigen familiären Verhältnissen aufwachsen. Während die beiden Älteren sich arrangieren, flüchtet sich der Jüngste in seine eigene Fantasiewelt. Die Washington Post spricht von einem Must-See. Mindestens Fans von Terrence Malick werden an diesem poetischen Film ihre Freude haben.  

SIBEL von Çağla Zencirci und Guillaume Giovanetti (Türkei 2018). Die in ihrem Heimatdorf in der Nähe des Schwarzen Meeres lebende stumme Sibel wird von der Dorfgemeinschaft geächtet. Erst die Begegnung mit einem anderen Außenseiter gibt ihr Selbstvertrauen. Ein atmosphärisch dichter Film in malerischer Kulisse.   

GEGEN DEN STROM, Komödie vor der traumhaften Kulisse Islands von Benedikt Erlingsson, der das Filmfest am 27.9. eröffnet (Karten gibt es jedoch nur für die zweite Vorstellung am 29.9. zu erwerben). 

TOO LATE TO DIE YOUNG von Dominga Sotomayor Castillo (Chile 2018). Eine Gruppe von Außenseitern schafft sich im Sommer 1990 weit entfernt vom städtischen Treiben am Fuße der Anden ein neues Leben  Dominga Sotomayor Castillo gewann für ihren sensiblen Film in Locarno als erste Frau den Preis für die beste Regie.  

THE FAVOURITE (GB 2018). Yorgos Lanthimos porträtiert in diesem Historienfilm die englische Königin Anne, die eine heimliche Liebesbeziehung zu ihrer Vertrauten Sarah hat, bis Ungemach von ihrer Cousine Abigail droht. Starke Frauen gespielt von so starken Darstellerinnen wie Olivia Colman, Rachel Weisz und Emma Stone.  

DAS SCHÖNSTE PAAR (D 2018). Sven Taddickens sensibles Drama über ein Paar, das mit dem Trauma einer Vergewaltigung umzugehen versucht, wurde in Toronto beim Filmfestival vom Publikum gefeiert.  

NUR EIN KLEINER GEFALLEN von Paul Feig (USA 2017), ein Mystery-Thriller mit Comedy-Elementen, in dem eine alleinerziehende Mutter sich nach dem Verschwinden einer Freundin auf Nachforschungen begibt.  

SHÉHÉRAZADE von Jean-Bernard Marlin (Frankreich 2018), eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Gangsterlebens im ärmsten Stadtviertel der französischen Hafenstadt Marseille.

THE WILD PEAR TREE (Türkei 2018). Der türkische Regisseur und Drehbuchautor Nuri Bilge Ceylan ist ein Meister langer Einstellungen und durchdacht arrangierter Bildkompositionen (auch in seinem neuen Film). Bereits dreimal wurde er in Cannes ausgezeichnet, u.a. im Jahr 2014 mit der Goldenen Palme für seinen Film WINTERSCHLAF. 

DER TRAFIKANT von Nikolaus Leytner (Österreich 2018), Verfilmung des 2012 erschienenen Romans von Robert Seethaler. Der Film spielt in den Jahren 1937/38. Simon Morzé spielt den jungen Lehrling Franz Huchel, der das Leben und die Liebe im Wien zu Zeiten der dramatischen politischen Ereignisse kennen lernt. Bruno Ganz ist als Sigmund Freud zu bewundern.  

ROMA von Alfonso Cuarón (Mexiko 2018). 2013 erhielt Cuarón für seinen Science-Fiction-Thriller GRAVITY jeweils den Oscar für den Besten Film und die Beste Regie. Auch Harry-Potter-Fans dürfte er bekannt sein, denn er inszenierte HARRY POTTER UND DER GEFANGENE VON ASKABAN. Sein neuer Film ROMA feierte am 30.8.2018 in Venedig seine Premiere und wurde dort auch mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Das autobiographisch geprägte Drama erzählt die Geschichte einer mexikanischen Familie in den 1970er Jahren, als die paramilitärische Gruppe Los Halcones während Studentenprotesten dutzende Studenten tötete (Massaker von Corpus Christi).  

TRAUTMANN von Marcus H. Rosenmüller (Deutschland 2018) ist die Geschichte der Torhüter-Legende Bernd Trautmann (gespielt von David Kross), der nach einer Kriegsgefangenschaft in einem britischen Lager beschloss, in England zu bleiben. Dort wurde er später als Torhüter von Manchester City weltberühmt. 

LETO von Kirill Serebrennikow (Russland 2018) erzählt von der russischen Rockszene in den 1980er Jahren. Der Film wurde im Mai in Cannes uraufgeführt, jedoch ohne den Regisseur, den der stand unter Hausarrest. Möglicherweise geht es in seinem Film zu viel um die Liebe zur Freiheit, wenn die Band Zoopark und der in Russland bis heute bekannte Musiker Wiktor Zoi ihre Sehnsüchte musikalisch zum Ausdruck bringen und damit vielen jungen Menschen in der Sowjetunion aus dem Herzen sprachen. Die T-Shirts mit dem Aufdruck „Free Kyrill“, die in Cannes von vielen Filmschaffenden getragen wurden, können leider noch nicht eingemottet werden - Kirill Serebrennikow steht weiterhin unter Hausarrest und ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.  

AUFBRUCH ZUM MOND von Damien Chazelle, mit Ryan Gosling als Neil Armstrong (USA 2018). Neil Armstrong, der erste Mensch auf dem Mond, dürfte fast jedem bekannt sein. Auch Schauspieler Ryan Gosling, der Armstrong in AUFBRUCH ZUM MOND verkörpert, hat mittlerweile einen ähnlichen Bekanntheitsgrad erreicht. Das mag dem Regisseur Damien Chazelle noch nicht ganz gelungen sein, wenngleich er durch seinen Film LA LA LAND einen Oscar für die Beste Regie erhielt. Mir persönlich gefiel sein Film WHIPLASH, den ich 2014 beim Filmfest Hamburg sehen konnte, ja viel besser. Mit AUFBRUCH ZUM MOND soll ihm jedoch eine spannende und realistische Darstellung der aufreibenden Vorbereitungen der ersten Mondmission gelungen sein, die wohl ihren Höhepunkt im Betreten des Mondes finden wird. Auch wenn Chazelle den Moment, in dem Armstrong die amerikanische Flagge auf dem Mond platzierte, ausgespart haben soll, so kann man den ersten Schritten auf unserem Trabanten im Kinosaal sicherlich entgegenfiebern.   


Wer’s ein wenig klein, aber fein mag (wie ich):

HAPPY LAMENTO (Deutschland 2018), ein Musikfilm ganz besonderer Art von der deutschen Regielegende Alexander Kluge in Zusammenarbeit mit dem philippinischen Regisseur Khavn De La Cruz, in dem der Elvis-Song BLUE MOON ebenso eine Rolle spielt wie die Vorbereitungen des Trump-Besuchs beim G20-Gipfel in Hamburg, Bandenkämpfe in Manila, Helge Schneider, Heiner Müller und noch so manche andere zirkusreife Absurditäten. 

A LAND IMAGINED (Singapur 2018) von Yeo Siew Hua. Singapur als dystopisches, kapitalistisches Nirvana, in dem sich zwei Polizisten auf die Suche nach einem vermissten chinesischen Gastarbeiter machen, der eigentlich von niemandem vermisst wird. Kritiker bescheinigen dem Film eine atmosphärische Nähe zu Ridley Scotts Blade Runner und David Lynch. Das klingt eigentlich sehr vielversprechend. Im August erhielt A LAND IMAGINED in Locarno recht überraschend den Hauptpreis. Man darf gespannt sein.    

THE IMAGE BOOK (Schweiz 2018), Jean-Luc Godards Momentaufnahme der aktuellen Weltsituation. Es geht um die arabische Welt, die Frauen und die Umwelt, zusammengetragen (bei Godard trifft es wohl besser der Ausdruck „komponiert“) in Found Footage Sequenzen, bei denen der Altmeister sich überlagernde Tonspuren und digital verzerrte Bilder einsetzt. Der Altmeister ist auch technisch topaktuell.     

MONROVIA, INDIANA (USA 2018), der neue Dokumentarfilm von Frederick Wiseman, die Studie einer Kleinstadt im Mittleren Westen der USA. Wiseman zeigt das Amerika des weißen Mannes im Trump-Land ohne den Zeigefinger zu erheben, er beobachtet und lässt sprechen. Ein echter Wiseman, so wie man ihn schätzt.  

VILLE NEUVE, ein poetischer, animierter Film aus Kanada von Félix Dufour-Laperrière mit starken Bildern, die ausschließlich mit der Hand und schwarzer Tusche auf Papier entstanden sind. Es ist die Geschichte eines Paares, das sich wegen der Alkoholsucht des Mannes getrennt hat, aber nach dessen Läuterung einen neuen Versuch wagt. Ich bin sehr gespannt auf diesen Film. 2015 hat mich Dufour-Laperrières Essayfilm TRANSATLANTIC beim Filmfest Hamburg ziemlich begeistert.  

DAS GEHEIMNIS IM WARSCHAUER GHETTO (USA 2018), Dokumentarfilm von Roberta Grossmann über den Historiker, Politiker und Publizisten Emanuel Ringelblum, der im Warschauer Ghetto das geheime Archiv Oneg Schabatt aufbaute und leitete.  

HOTEL BY THE RIVER (Südkorea 2018), melancholisches Drama von Hong Sang Soo gedreht in wunderschönem Schwarzweiß. 2017 wurde sein Vorgängerfilm AT THE BEACH AT NIGHT ALONE bei der Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet, Kl Joobong (in seiner Rolle als alternder Dichter) wurde kürzlich in Locarno für sein Schauspiel in Hongs neuestem Werk HOTEL BY THE RIVER mit dem Goldenen Leoparden ausgezeichnet. 

MALILA: THE FAREWELL FLOWER von Anucha Boonyawatana (Thailand 2017), beschrieben als eine atemberaubende Meditation über das Leben, das Sterben und die Erinnerung.  

WE, THE DEAD (Malaysia 2017) von Edmund Yeo. Eine junge Frau möchte nach Taiwan, aus Myanmar flüchtete Rohingya scheinen ihr eine gute Gelegenheit zu bieten, als Schlepperin an das nötige Geld dafür zu kommen. Doch das Elend der Flüchtlinge an der thailändisch-malayischen Grenze lässt sie nicht so kalt, wie sie sich es gewünscht hätte. Edmund Yeo zeigt in seinem Drama die Komplizenschaft Malaysias beim Exodus an den Rohingya auf.  
  
THE PLUTO MOMENT (China 2018) von Zhang Ming über eine Reise von Filmemachern in die chinesische Provinz, in der sie auf allerlei Schwierigkeiten stoßen.  

Meine erste Wahl mal zwei:

BUENOS AIRES AL PACIFICO (Argentinien 2018) von Mariano Donoso. Ein Filmessay, in dem die Geschichte der titelgebenden Bahngesellschaft wie in einem Traum aufgearbeitet wird.   

THE IMAGE YOU MISSED (Irland 2018), sehr persönlicher Essayfilm von Dónal Foreman, in dem er das Erbe seines Vaters, des Dokumentarfilmers Arthur MacCaig, aber auch seine niemals wirklich vorhandene Beziehung zu ihm, aufarbeitet. Doch der Film ist mehr als ein filmischer Dialog zwischen Vater und Sohn, er erinnert auch an den Nordirlandkonflikt und die IRA. Die Irish Times hat sich sehr ausführlich mit THE IMAGE YOU MISSED auseinandergesetzt. 

(Regina Nickelsen für das Filmteam Colón)