Freitag, 21. September 2018

Tipps für das Filmfest Hamburg 2018

Der Vorverkauf für das Filmfest Hamburg 2018 hat begonnen! Karten erhält man sowohl online über die Webseite als auch in den teilnehmenden Kinos METROPOLIS, Passage, Studio, Abaton und CinemaxX Dammtor sowie im Levantehaus.

Nur online gibt es die Möglichkeit insgesamt 15 Karten zum Preis von 100 € (15er-Online-Spezial) bzw. 10 zum Preis von 70 € (10er-Online-Spezial) zu erwerben. Das Verfahren ist ein wenig umständlich, aber mit ein wenig Geduld kommt man schon an Tickets für seine Wunschfilme. Da das Programm wirklich toll ausschaut, lohnt es unbedingt, mehrfach zuzuschlagen.

 

Das Filmfest Hamburg läuft vom 27.9. bis zum 6.10.

Der Douglas-Sirk-Preis wird in diesem Jahr an den iranischen Regisseur Jafar Panahi verliehen. Die Veranstaltung findet am 4.10. (19.30) statt. 


Meine Tipps (der Klick auf den Filmtitel führt zu weiteren Infos auf der Webseite des Filmfests)

DOGMAN von Matteo Garrone (Italien 2018). Der leise Thriller um einen Hundepfleger in einem heruntergekommenen italienischen Seebad, der nach einer nicht begangenen Tat zu einer Haftstrafe verurteilt und später aus der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen wird, feierte im Mai seine Premiere in Cannes und erhielt höchstes Kritikerlob. Hauptdarsteller Marcello Fonte erhielt in Cannes den Preis für den besten Darsteller.   

WE THE ANIMALS von Jeremiah Zagar nach einem Roman von Justin Torres (USA 2018). Die Geschichte dreier Brüder, die in recht schwierigen familiären Verhältnissen aufwachsen. Während die beiden Älteren sich arrangieren, flüchtet sich der Jüngste in seine eigene Fantasiewelt. Die Washington Post spricht von einem Must-See. Mindestens Fans von Terrence Malick werden an diesem poetischen Film ihre Freude haben.  

SIBEL von Çağla Zencirci und Guillaume Giovanetti (Türkei 2018). Die in ihrem Heimatdorf in der Nähe des Schwarzen Meeres lebende stumme Sibel wird von der Dorfgemeinschaft geächtet. Erst die Begegnung mit einem anderen Außenseiter gibt ihr Selbstvertrauen. Ein atmosphärisch dichter Film in malerischer Kulisse.   

GEGEN DEN STROM, Komödie vor der traumhaften Kulisse Islands von Benedikt Erlingsson, der das Filmfest am 27.9. eröffnet (Karten gibt es jedoch nur für die zweite Vorstellung am 29.9. zu erwerben). 

TOO LATE TO DIE YOUNG von Dominga Sotomayor Castillo (Chile 2018). Eine Gruppe von Außenseitern schafft sich im Sommer 1990 weit entfernt vom städtischen Treiben am Fuße der Anden ein neues Leben  Dominga Sotomayor Castillo gewann für ihren sensiblen Film in Locarno als erste Frau den Preis für die beste Regie.  

THE FAVOURITE (GB 2018). Yorgos Lanthimos porträtiert in diesem Historienfilm die englische Königin Anne, die eine heimliche Liebesbeziehung zu ihrer Vertrauten Sarah hat, bis Ungemach von ihrer Cousine Abigail droht. Starke Frauen gespielt von so starken Darstellerinnen wie Olivia Colman, Rachel Weisz und Emma Stone.  

DAS SCHÖNSTE PAAR (D 2018). Sven Taddickens sensibles Drama über ein Paar, das mit dem Trauma einer Vergewaltigung umzugehen versucht, wurde in Toronto beim Filmfestival vom Publikum gefeiert.  

NUR EIN KLEINER GEFALLEN von Paul Feig (USA 2017), ein Mystery-Thriller mit Comedy-Elementen, in dem eine alleinerziehende Mutter sich nach dem Verschwinden einer Freundin auf Nachforschungen begibt.  

SHÉHÉRAZADE von Jean-Bernard Marlin (Frankreich 2018), eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Gangsterlebens im ärmsten Stadtviertel der französischen Hafenstadt Marseille.

THE WILD PEAR TREE (Türkei 2018). Der türkische Regisseur und Drehbuchautor Nuri Bilge Ceylan ist ein Meister langer Einstellungen und durchdacht arrangierter Bildkompositionen (auch in seinem neuen Film). Bereits dreimal wurde er in Cannes ausgezeichnet, u.a. im Jahr 2014 mit der Goldenen Palme für seinen Film WINTERSCHLAF. 

DER TRAFIKANT von Nikolaus Leytner (Österreich 2018), Verfilmung des 2012 erschienenen Romans von Robert Seethaler. Der Film spielt in den Jahren 1937/38. Simon Morzé spielt den jungen Lehrling Franz Huchel, der das Leben und die Liebe im Wien zu Zeiten der dramatischen politischen Ereignisse kennen lernt. Bruno Ganz ist als Sigmund Freud zu bewundern.  

ROMA von Alfonso Cuarón (Mexiko 2018). 2013 erhielt Cuarón für seinen Science-Fiction-Thriller GRAVITY jeweils den Oscar für den Besten Film und die Beste Regie. Auch Harry-Potter-Fans dürfte er bekannt sein, denn er inszenierte HARRY POTTER UND DER GEFANGENE VON ASKABAN. Sein neuer Film ROMA feierte am 30.8.2018 in Venedig seine Premiere und wurde dort auch mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Das autobiographisch geprägte Drama erzählt die Geschichte einer mexikanischen Familie in den 1970er Jahren, als die paramilitärische Gruppe Los Halcones während Studentenprotesten dutzende Studenten tötete (Massaker von Corpus Christi).  

TRAUTMANN von Marcus H. Rosenmüller (Deutschland 2018) ist die Geschichte der Torhüter-Legende Bernd Trautmann (gespielt von David Kross), der nach einer Kriegsgefangenschaft in einem britischen Lager beschloss, in England zu bleiben. Dort wurde er später als Torhüter von Manchester City weltberühmt. 

LETO von Kirill Serebrennikow (Russland 2018) erzählt von der russischen Rockszene in den 1980er Jahren. Der Film wurde im Mai in Cannes uraufgeführt, jedoch ohne den Regisseur, den der stand unter Hausarrest. Möglicherweise geht es in seinem Film zu viel um die Liebe zur Freiheit, wenn die Band Zoopark und der in Russland bis heute bekannte Musiker Wiktor Zoi ihre Sehnsüchte musikalisch zum Ausdruck bringen und damit vielen jungen Menschen in der Sowjetunion aus dem Herzen sprachen. Die T-Shirts mit dem Aufdruck „Free Kyrill“, die in Cannes von vielen Filmschaffenden getragen wurden, können leider noch nicht eingemottet werden - Kirill Serebrennikow steht weiterhin unter Hausarrest und ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.  

AUFBRUCH ZUM MOND von Damien Chazelle, mit Ryan Gosling als Neil Armstrong (USA 2018). Neil Armstrong, der erste Mensch auf dem Mond, dürfte fast jedem bekannt sein. Auch Schauspieler Ryan Gosling, der Armstrong in AUFBRUCH ZUM MOND verkörpert, hat mittlerweile einen ähnlichen Bekanntheitsgrad erreicht. Das mag dem Regisseur Damien Chazelle noch nicht ganz gelungen sein, wenngleich er durch seinen Film LA LA LAND einen Oscar für die Beste Regie erhielt. Mir persönlich gefiel sein Film WHIPLASH, den ich 2014 beim Filmfest Hamburg sehen konnte, ja viel besser. Mit AUFBRUCH ZUM MOND soll ihm jedoch eine spannende und realistische Darstellung der aufreibenden Vorbereitungen der ersten Mondmission gelungen sein, die wohl ihren Höhepunkt im Betreten des Mondes finden wird. Auch wenn Chazelle den Moment, in dem Armstrong die amerikanische Flagge auf dem Mond platzierte, ausgespart haben soll, so kann man den ersten Schritten auf unserem Trabanten im Kinosaal sicherlich entgegenfiebern.   


Wer’s ein wenig klein, aber fein mag (wie ich):

HAPPY LAMENTO (Deutschland 2018), ein Musikfilm ganz besonderer Art von der deutschen Regielegende Alexander Kluge in Zusammenarbeit mit dem philippinischen Regisseur Khavn De La Cruz, in dem der Elvis-Song BLUE MOON ebenso eine Rolle spielt wie die Vorbereitungen des Trump-Besuchs beim G20-Gipfel in Hamburg, Bandenkämpfe in Manila, Helge Schneider, Heiner Müller und noch so manche andere zirkusreife Absurditäten. 

A LAND IMAGINED (Singapur 2018) von Yeo Siew Hua. Singapur als dystopisches, kapitalistisches Nirvana, in dem sich zwei Polizisten auf die Suche nach einem vermissten chinesischen Gastarbeiter machen, der eigentlich von niemandem vermisst wird. Kritiker bescheinigen dem Film eine atmosphärische Nähe zu Ridley Scotts Blade Runner und David Lynch. Das klingt eigentlich sehr vielversprechend. Im August erhielt A LAND IMAGINED in Locarno recht überraschend den Hauptpreis. Man darf gespannt sein.    

THE IMAGE BOOK (Schweiz 2018), Jean-Luc Godards Momentaufnahme der aktuellen Weltsituation. Es geht um die arabische Welt, die Frauen und die Umwelt, zusammengetragen (bei Godard trifft es wohl besser der Ausdruck „komponiert“) in Found Footage Sequenzen, bei denen der Altmeister sich überlagernde Tonspuren und digital verzerrte Bilder einsetzt. Der Altmeister ist auch technisch topaktuell.     

MONROVIA, INDIANA (USA 2018), der neue Dokumentarfilm von Frederick Wiseman, die Studie einer Kleinstadt im Mittleren Westen der USA. Wiseman zeigt das Amerika des weißen Mannes im Trump-Land ohne den Zeigefinger zu erheben, er beobachtet und lässt sprechen. Ein echter Wiseman, so wie man ihn schätzt.  

VILLE NEUVE, ein poetischer, animierter Film aus Kanada von Félix Dufour-Laperrière mit starken Bildern, die ausschließlich mit der Hand und schwarzer Tusche auf Papier entstanden sind. Es ist die Geschichte eines Paares, das sich wegen der Alkoholsucht des Mannes getrennt hat, aber nach dessen Läuterung einen neuen Versuch wagt. Ich bin sehr gespannt auf diesen Film. 2015 hat mich Dufour-Laperrières Essayfilm TRANSATLANTIC beim Filmfest Hamburg ziemlich begeistert.  

DAS GEHEIMNIS IM WARSCHAUER GHETTO (USA 2018), Dokumentarfilm von Roberta Grossmann über den Historiker, Politiker und Publizisten Emanuel Ringelblum, der im Warschauer Ghetto das geheime Archiv Oneg Schabatt aufbaute und leitete.  

HOTEL BY THE RIVER (Südkorea 2018), melancholisches Drama von Hong Sang Soo gedreht in wunderschönem Schwarzweiß. 2017 wurde sein Vorgängerfilm AT THE BEACH AT NIGHT ALONE bei der Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet, Kl Joobong (in seiner Rolle als alternder Dichter) wurde kürzlich in Locarno für sein Schauspiel in Hongs neuestem Werk HOTEL BY THE RIVER mit dem Goldenen Leoparden ausgezeichnet. 

MALILA: THE FAREWELL FLOWER von Anucha Boonyawatana (Thailand 2017), beschrieben als eine atemberaubende Meditation über das Leben, das Sterben und die Erinnerung.  

WE, THE DEAD (Malaysia 2017) von Edmund Yeo. Eine junge Frau möchte nach Taiwan, aus Myanmar flüchtete Rohingya scheinen ihr eine gute Gelegenheit zu bieten, als Schlepperin an das nötige Geld dafür zu kommen. Doch das Elend der Flüchtlinge an der thailändisch-malayischen Grenze lässt sie nicht so kalt, wie sie sich es gewünscht hätte. Edmund Yeo zeigt in seinem Drama die Komplizenschaft Malaysias beim Exodus an den Rohingya auf.  
  
THE PLUTO MOMENT (China 2018) von Zhang Ming über eine Reise von Filmemachern in die chinesische Provinz, in der sie auf allerlei Schwierigkeiten stoßen.  

Meine erste Wahl mal zwei:

BUENOS AIRES AL PACIFICO (Argentinien 2018) von Mariano Donoso. Ein Filmessay, in dem die Geschichte der titelgebenden Bahngesellschaft wie in einem Traum aufgearbeitet wird.   

THE IMAGE YOU MISSED (Irland 2018), sehr persönlicher Essayfilm von Dónal Foreman, in dem er das Erbe seines Vaters, des Dokumentarfilmers Arthur MacCaig, aber auch seine niemals wirklich vorhandene Beziehung zu ihm, aufarbeitet. Doch der Film ist mehr als ein filmischer Dialog zwischen Vater und Sohn, er erinnert auch an den Nordirlandkonflikt und die IRA. Die Irish Times hat sich sehr ausführlich mit THE IMAGE YOU MISSED auseinandergesetzt. 

(Regina Nickelsen für das Filmteam Colón)