Am
12.9.2018 startet die Jubiläumsausgabe des Internationalen Filmfests Oldenburg , das für sein sorgfältig kuratiertes
Programm weltweit bekannt ist. Seit 1994 steht das Internationale Filmfest
Oldenburg für bedingungsloses Independent-Kino, das Jahr für Jahr tausende
begeisterte Filmfreunde anzieht. Über Genregrenzen hinweg und gegen den
Mainstream wird das Unabhängige, die Kunst an sich, und nicht der Kommerz
gefeiert.
Eröffnet
wird das Filmfest
am 12.9. mit der Europapremiere der russischen
Produktion UNFORGIVEN. Somit wird erstmals in der nunmehr 25-jährigen Geschichte kein
deutscher Film das Festival eröffnen. Ein Stück jüngerer deutscher Geschichte
bildet jedoch den Hintergrund des Films. Russlands Regiestar
Sarik Andreasyan erzählt die zutiefst traumatische, wahre Geschichte des
Osseten Vitaliy Kaloev, der bei der Flugzeugkatastrophe von Überlingen seine
komplette Familie verliert. Der Schmerz darüber und die Ohnmacht angesichts der
Abwesenheit von Empathie und Reue der Verantwortlichen führt in eine zweite,
menschliche Katastrophe. Nachdem Andreasyan mit »Guardians« Russlands Antwort
auf die Marvel Superheldenfilme auf die Leinwand gebracht hat, zeigt er sich in
»Unforgiven« als Virtuose des Schauspielerkinos ohne Scheu vor überlebensgroßen
Emotionen.
Historische
Fakten stehen im Mittelpunkt des Films, der eine Geschichte erzählt, die in den
2000er Jahren medial sehr genau und umfassend begleitet wurde. Nach der
Flugzeugkatastrophe von Überlingen, der aufgrund einer Verkettung von Fehlern,
Unaufmerksamkeiten und technischen Problemen im Jahre 2002 über dem Bodensee 71
Menschen, darunter 49 russische Kinder zum Opfer fielen, bahnt sich eine
weitere, menschliche Katastrophe an, die Andreasyans Film zu einem intensiven,
bewegenden und visuell mitreißenden Stück Kino verarbeitet.
Die
Eröffnungsgala
findet in diesem Jahr erstmalig in der Kongresshalle der Weser Ems Hallen statt.
In einem Tribute
ehrt das 25. Internationale Filmfest Oldenburg den Oscargewinner Keith Carradine. Der international bekannte
Charakterdarsteller Hollywoods wird während des Festivals und nicht bei
der Europapremiere
von RAY MEETS HELEN (USA 2018, Alan
Rudolph). Gezeigt werden zudem die Klassiker, NASHVILLE (Robert Altman), DIE
DUELLISTEN (Ridley Scotts meisterhaftes Regiedebüt) sowie TROUBLE IN MIND (Alan Rudolph).
Des Weiteren bietet das diesjährige
Filmfest eine Werkschau Bruce Robinsons, eines der eigenwilligsten Autoren und Regisseure des britischen Kinos. Gewürdigt
werden seine Arbeiten als Darsteller,
Autor und Regisseur. Bruce Robinson wird während des gesamten
Festivals in Oldenburg zu Gast sein und acht seiner Filme im Rahmen der ihm
gewidmeten Retrospektive vorstellen. Die Retrospektive
wird folgende Filme beinhalten: ROMEO
AND JULIET (1968), THE STORY OF
ADELE H (1975), KLEINHOFF HOTEL
(1977), THE KILLING FIELDS (1984), WITHNAIL AND I (1987), HOW TO GET AHEAD IN ADVERTISING (1989),
JENNIFER 8 (1992) sowie THE RUM DIARY (2011).
Im Rahmen der festlichen
Filmfest Gala präsentieren Tomer
Almagor und Nadav Harel am 15. September 2018, 21.00 Uhr, im Oldenburgischen
Staatstheater ihren Dokumentarfilm KING OF BEASTS (USA 2018) als Weltpremiere. Im Film begleiten sie den
Großwildjäger Aaron mit einer Gruppe von Jägern auf einer Jagd in Tansania. Mit
noch nie zuvor ermöglichten Einblicken in dieses weltweit geächtete Phänomen
der Trophäenjäger ist ein Film entstanden, der in Erzählform und visueller
Energie intensiver als jeder Spielfilm erscheint. Ein Portrait eines durch und
durch neokolonialistischen Unternehmens. Am Ende werden wir herausfinden, wer
der »King of Beasts« ist.
Die Closing
Night Gala der 25.
Ausgabe des Filmfest Oldenburg findet am 16. September 2018 um 19.00 Uhr im
Oldenburgischen Staatstheater statt. Im Anschluss an die Preisverleihung, u.a. des German
Independent Awards,
wird der französische Spielfilm FRÜHES VERSPRECHEN (2017) von Eric Babier seine Deutschlandpremiere
erleben. Der
Film entfaltet das Leben des französischen Schriftstellers, Regisseurs und
Diplomaten Romain Gary. Von seiner Kindheit in Polen über seine Jugend unter
der Sonne von Nizza bis hin zu den Erlebnissen als Pilot in Afrika während des
Zweiten Weltkriegs, Romain Gary lebte ein außergewöhnliches Leben. Die
unerschütterliche Liebe seiner liebenswerten wie exzentrischen Mutter Nina
(Charlotte Gainsbourg) lässt ihn zu einem der größten Romanciers des
zwanzigsten Jahrhunderts werden, zu dem Mann der als einziger zweimal den
französischen Literaturpreis Prix Goncourt erhält. FRÜHES VERSPRECHEN wird in Deutschland von Camino Films im Herbst
in die Kinos gebracht.
Die Matchbox Coproduction Lounge wird am 15. September im Rahmen des Filmfest Oldenburg 2018 zum dritten Mal in Oldenburg stattfinden. Filmemacher aus der ganzen Welt treffen hier zusammen, um sich über ihre Ideen auszutauschen und um gemeinsame Interessen zu entdecken. Ziel der eintägigen Veranstaltung ist es, Filmemachern und Branchenvertretern ein entspanntes und persönliches Umfeld zu bieten, in dem sie Kontakte knüpfen und zukünftige Kooperationen schaffen können. Zusätzlich zu dem Meeting wird am Sonntag (16.9.) der Produzent Jim Stark (NIGHT ON EARTH, DOWN BY LAW) ein Panel über die Produktion von »Low Budget«- Filmen halten und seinen neuesten Film, den deutschen Film ADAM von Maria Solrun vorstellen.
Im Zuge der dritten Matchbox Coproduction Lounge wird die mazedonische Filmförderung, die Macedonian Film Agency, als neuer Förderer für potenzielle internationale Projekte vorgestellt. Mitglieder der Filmförderung und eine Delegation von Produzenten werden zugegen sein. Der mazedonische Film THE RETURN (VRAKANJA) von Kastriot Abdyli wird seine Weltpremiere auf dem Internationalen Filmfest Oldenburg feiern.
Das diesjährige Line-up beinhaltet erneut Veteranen, Newcomer und vielversprechende zweite Projekte von aufstrebenden Filmemachern. So beispielsweise das Projekt der bulgarischen Filmemacherin Maya Vitkova, deren Debüt VIKTORIA (2014) ein großer Erfolg in Festivalkreisen (Sundance, Rotterdam) war. Nachdem sie dieses Jahr den Kierslowski Award für das Beste Osteuropäische Drehbuch in Cannes erhielten, kommt sie nach Oldenburg, um Partner für ihr neuestes Projekt AFRIKA zu suchen.
Dieses Jahr werden ebenfalls zwei Bestseller Adaptionen in der Lounge präsentiert. Der letzte Roman von Pulitzer Preis-Gewinner Norman Mailer, THE CASTLE IN THE FOREST, ist für eine Serienadaption angelegt und wird von Mailers Sohn Michael vorgestellt, dessen Film THE PRIVATE LIFE OF A MODERN WOMAN ebenfalls auf dem Internationalen Filmfest Oldenburg gezeigt wird.
Barbara Abels
Bestseller DUELLE sucht ebenfalls
Unterstützer für eine Adaption als packender Psycho-Thriller PLEASANT HILLS.
Die Regisseuren-Legende aus den 1970ern, Harry Kümel, schaut sich nach Verstärkung für MOTHER OF DARKNESS um, der Fortführung seines Kultvampirfilms DAUGHTER OF DARKNESS. Ebenso sucht er Förderung für THE ADVENTURES OF HARRY DICKSON, eine Serie basierend auf den Geschichten von Jean Ray, Autor seines 1972 mit dem Plame d´Or moninierten Meisterwerks MALPERTUIS mit Orson Welles.
Der australische Regisseur und Querdenker Philipp Mora hat sich mit Jim McElroy, Produzent des mit dem Oscar ausgezeichneten THE YEAR OF LIVING DANGEROUSLY von Peter Weir, zusammengetan, um gemeinsam das Erste Weltkriegs Drama MONASH OF AUSTRALIA zu entwickeln.
Weitere Highlights dieses Jahres sind SALT IN THE WOUND, das Debüt des talentierten jungen Filmemachers Harry Ayiotis aus Zypern, der letztes Jahr den Midpoint HBO Preis auf dem Sarajevo Film Fest entgegennehmen konnte.
Noch
viel mehr Programm-Highlights des Filmfest Oldenburg 2018 haben wir hier zusammengestellt.
Last
but not least: In Zusammenarbeit mit dem Berliner Streamingdienst FilmConfect
bietet das Filmfest Oldenburg erstmalig die Möglichkeit, Independent-Perlen
auch zu Hause anzusehen. Geboten wird ein Best-of aus 25 Jahren als Video-on-Demand. Darunter
befindet sich z.B. Michal Samirs atemberaubendes Erstlingswerk HANY, das 2014 in Oldenburg den German
Independence Award gewann und von einer unvergesslichen Nacht erzählt, die in
einer einzigen spektakulären Einstellung gefilmt wurde. Auch dabei ist Jan Ole
Gersters bahnbrechender Erfolg OH BOY,
der 2012 das Internationale Filmfestival eröffnete und mit seiner Geschichte
des gescheiterten Jura Studenten, der sich im Gestrüpp der Möglichkeiten
verliert, den German Independence Award gewann. Besonders ausgewöhnlich ist
Micheal Wadleighs einziger wirklicher Spielfilm WOLFEN (ein toller Film übrigens). Nur die wenigsten wissen, dass
Micheal Wadleigh, neben seiner wegweisenden Dokumentation „Woodstock“ einen der
raffiniertesten Horrorfilme der 80er Jahre schuf, der nun als besonderes Juwel
in der VoD-Reihe zu sehen sein wird.
1. Foto:
Regina Nickelsen (Filmteam Colón)