Der Vorverkauf für das Filmfest Hamburg 2018 hat
begonnen! Karten erhält man sowohl online über die Webseite als
auch in den teilnehmenden Kinos METROPOLIS, Passage, Studio, Abaton und
CinemaxX Dammtor sowie im Levantehaus.
Nur online gibt es die
Möglichkeit insgesamt 15 Karten zum Preis von 100 € (15er-Online-Spezial) bzw. 10 zum Preis von 70 €
(10er-Online-Spezial) zu
erwerben. Das Verfahren ist ein wenig umständlich, aber mit ein wenig Geduld
kommt man schon an Tickets für seine Wunschfilme. Da das Programm wirklich toll
ausschaut, lohnt es unbedingt, mehrfach zuzuschlagen.
Das Filmfest Hamburg läuft vom 27.9. bis zum 6.10.
Der Douglas-Sirk-Preis
wird in diesem Jahr an den iranischen Regisseur Jafar Panahi verliehen. Die
Veranstaltung findet am 4.10. (19.30) statt.
Meine Tipps (der
Klick auf den Filmtitel führt zu weiteren Infos auf der Webseite des Filmfests)
DOGMAN von
Matteo Garrone (Italien 2018). Der leise Thriller um einen Hundepfleger in
einem heruntergekommenen italienischen Seebad, der nach einer nicht begangenen
Tat zu einer Haftstrafe verurteilt und später aus der Dorfgemeinschaft
ausgeschlossen wird, feierte im Mai seine Premiere in Cannes und erhielt
höchstes Kritikerlob. Hauptdarsteller Marcello Fonte erhielt in Cannes den
Preis für den besten Darsteller.
WE THE ANIMALS von Jeremiah Zagar nach einem Roman von Justin
Torres (USA 2018). Die Geschichte dreier Brüder, die in recht schwierigen
familiären Verhältnissen aufwachsen. Während die beiden Älteren sich
arrangieren, flüchtet sich der Jüngste in seine eigene Fantasiewelt. Die Washington Post spricht von einem Must-See.
Mindestens Fans von Terrence Malick werden an diesem poetischen Film ihre
Freude haben.
SIBEL von
Çağla Zencirci und Guillaume Giovanetti (Türkei
2018). Die in ihrem Heimatdorf in der Nähe des Schwarzen Meeres lebende stumme
Sibel wird von der Dorfgemeinschaft geächtet. Erst die Begegnung mit einem
anderen Außenseiter gibt ihr Selbstvertrauen. Ein atmosphärisch dichter Film in
malerischer Kulisse.
GEGEN DEN STROM, Komödie vor der traumhaften Kulisse Islands von
Benedikt Erlingsson, der das Filmfest am 27.9. eröffnet (Karten gibt es jedoch
nur für die zweite Vorstellung am 29.9. zu erwerben).
TOO LATE TO DIE YOUNG von Dominga Sotomayor Castillo (Chile 2018). Eine
Gruppe von Außenseitern schafft sich im Sommer 1990 weit entfernt vom
städtischen Treiben am Fuße der Anden ein neues Leben Dominga Sotomayor Castillo gewann für ihren
sensiblen Film in Locarno als erste Frau den Preis für die beste Regie.
THE FAVOURITE (GB 2018). Yorgos
Lanthimos porträtiert in diesem Historienfilm die englische Königin Anne, die
eine heimliche Liebesbeziehung zu ihrer Vertrauten Sarah hat, bis Ungemach von
ihrer Cousine Abigail droht. Starke Frauen gespielt von so starken
Darstellerinnen wie Olivia Colman, Rachel Weisz und Emma Stone.
DAS SCHÖNSTE PAAR (D 2018). Sven Taddickens sensibles Drama
über ein Paar, das mit dem Trauma einer Vergewaltigung umzugehen versucht,
wurde in Toronto beim Filmfestival vom Publikum gefeiert.
NUR EIN KLEINER GEFALLEN von Paul Feig (USA 2017), ein Mystery-Thriller
mit Comedy-Elementen, in dem eine alleinerziehende Mutter sich nach dem
Verschwinden einer Freundin auf Nachforschungen begibt.
SHÉHÉRAZADE von
Jean-Bernard Marlin (Frankreich 2018), eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Gangsterlebens im ärmsten
Stadtviertel der französischen Hafenstadt Marseille.
THE WILD PEAR TREE (Türkei 2018). Der türkische Regisseur und
Drehbuchautor Nuri Bilge
Ceylan ist ein Meister langer Einstellungen und durchdacht arrangierter
Bildkompositionen (auch in seinem neuen Film). Bereits dreimal wurde er in
Cannes ausgezeichnet, u.a. im Jahr 2014 mit der Goldenen Palme für seinen Film
WINTERSCHLAF.
DER TRAFIKANT von Nikolaus
Leytner (Österreich 2018), Verfilmung des 2012 erschienenen Romans von Robert
Seethaler. Der Film spielt in den Jahren 1937/38. Simon Morzé spielt den jungen
Lehrling Franz Huchel, der das Leben und die Liebe im Wien zu Zeiten der
dramatischen politischen Ereignisse kennen lernt. Bruno Ganz ist als Sigmund
Freud zu bewundern.
ROMA von
Alfonso Cuarón (Mexiko 2018). 2013 erhielt Cuarón für seinen
Science-Fiction-Thriller GRAVITY jeweils den Oscar für den Besten Film und die
Beste Regie. Auch Harry-Potter-Fans dürfte er bekannt sein, denn er inszenierte
HARRY POTTER UND DER GEFANGENE VON ASKABAN. Sein neuer Film ROMA feierte am 30.8.2018 in Venedig
seine Premiere und wurde dort auch mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Das
autobiographisch geprägte Drama erzählt die Geschichte einer mexikanischen Familie
in den 1970er Jahren, als die paramilitärische Gruppe Los Halcones während
Studentenprotesten dutzende Studenten tötete (Massaker von Corpus
Christi).
TRAUTMANN von
Marcus H. Rosenmüller (Deutschland 2018) ist die Geschichte der
Torhüter-Legende Bernd Trautmann (gespielt von David Kross), der nach einer
Kriegsgefangenschaft in einem britischen Lager beschloss, in England zu
bleiben. Dort wurde er später als Torhüter von Manchester City weltberühmt.
LETO von
Kirill Serebrennikow
(Russland 2018) erzählt von der russischen Rockszene in den 1980er Jahren. Der
Film wurde im Mai in Cannes uraufgeführt, jedoch ohne den Regisseur, den der
stand unter Hausarrest. Möglicherweise geht es in seinem Film zu viel um die
Liebe zur Freiheit, wenn die Band Zoopark und der in Russland bis heute
bekannte Musiker Wiktor Zoi ihre Sehnsüchte musikalisch zum Ausdruck bringen
und damit vielen jungen Menschen in der Sowjetunion aus dem Herzen sprachen. Die
T-Shirts mit dem Aufdruck „Free Kyrill“, die in Cannes von vielen
Filmschaffenden getragen wurden, können leider noch nicht eingemottet werden - Kirill Serebrennikow steht
weiterhin unter Hausarrest und ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.
AUFBRUCH ZUM MOND von Damien Chazelle, mit Ryan Gosling als Neil Armstrong
(USA 2018). Neil Armstrong, der erste Mensch auf dem Mond, dürfte fast jedem
bekannt sein. Auch Schauspieler Ryan Gosling, der Armstrong in AUFBRUCH ZUM MOND verkörpert, hat
mittlerweile einen ähnlichen Bekanntheitsgrad erreicht. Das mag dem Regisseur
Damien Chazelle noch nicht ganz gelungen sein, wenngleich er durch seinen Film
LA LA LAND einen Oscar für die Beste Regie erhielt. Mir persönlich gefiel sein
Film WHIPLASH, den ich 2014 beim Filmfest Hamburg sehen konnte, ja viel besser.
Mit AUFBRUCH ZUM MOND soll ihm
jedoch eine spannende und realistische Darstellung der aufreibenden
Vorbereitungen der ersten Mondmission gelungen sein, die wohl ihren Höhepunkt
im Betreten des Mondes finden wird. Auch wenn Chazelle den Moment, in dem
Armstrong die amerikanische Flagge auf dem Mond platzierte, ausgespart haben
soll, so kann man den ersten Schritten auf unserem Trabanten im Kinosaal
sicherlich entgegenfiebern.
Wer’s ein wenig klein, aber fein mag (wie ich):
HAPPY LAMENTO (Deutschland 2018),
ein Musikfilm ganz besonderer
Art von der deutschen Regielegende Alexander Kluge in Zusammenarbeit mit dem
philippinischen Regisseur Khavn De La Cruz, in dem der Elvis-Song BLUE MOON
ebenso eine Rolle spielt wie die Vorbereitungen des Trump-Besuchs beim
G20-Gipfel in Hamburg, Bandenkämpfe in Manila, Helge Schneider, Heiner Müller
und noch so manche andere zirkusreife Absurditäten.
A LAND IMAGINED (Singapur 2018) von Yeo Siew Hua. Singapur
als dystopisches, kapitalistisches Nirvana, in dem sich zwei Polizisten auf die
Suche nach einem vermissten chinesischen Gastarbeiter machen, der eigentlich
von niemandem vermisst wird. Kritiker bescheinigen dem Film eine atmosphärische
Nähe zu Ridley Scotts Blade Runner und David Lynch. Das klingt eigentlich sehr
vielversprechend. Im August erhielt A
LAND IMAGINED in Locarno recht überraschend den Hauptpreis. Man darf
gespannt sein.
THE IMAGE BOOK (Schweiz 2018), Jean-Luc Godards Momentaufnahme der
aktuellen Weltsituation. Es geht um die arabische Welt, die Frauen und die
Umwelt, zusammengetragen (bei Godard trifft es wohl besser der Ausdruck
„komponiert“) in Found Footage Sequenzen, bei denen der Altmeister sich
überlagernde Tonspuren und digital verzerrte Bilder einsetzt. Der Altmeister
ist auch technisch topaktuell.
MONROVIA, INDIANA (USA 2018), der neue Dokumentarfilm von Frederick Wiseman, die Studie
einer Kleinstadt im Mittleren Westen der USA. Wiseman zeigt das Amerika des
weißen Mannes im Trump-Land ohne den Zeigefinger zu erheben, er beobachtet und
lässt sprechen. Ein echter Wiseman, so wie man ihn schätzt.
VILLE NEUVE, ein poetischer, animierter Film aus Kanada von Félix Dufour-Laperrière
mit starken Bildern, die ausschließlich mit der Hand und schwarzer Tusche auf
Papier entstanden sind. Es ist die Geschichte eines Paares, das sich wegen der
Alkoholsucht des Mannes getrennt hat, aber nach dessen Läuterung einen neuen
Versuch wagt. Ich bin sehr gespannt auf diesen Film. 2015 hat mich
Dufour-Laperrières Essayfilm TRANSATLANTIC beim Filmfest Hamburg ziemlich
begeistert.
DAS GEHEIMNIS IM WARSCHAUER GHETTO (USA 2018), Dokumentarfilm von Roberta Grossmann über
den Historiker, Politiker und Publizisten Emanuel Ringelblum, der im Warschauer
Ghetto das geheime Archiv Oneg Schabatt aufbaute und leitete.
HOTEL BY THE RIVER (Südkorea 2018), melancholisches Drama von Hong
Sang Soo gedreht in wunderschönem Schwarzweiß. 2017 wurde sein Vorgängerfilm AT
THE BEACH AT NIGHT ALONE bei der Berlinale mit dem Silbernen Bären
ausgezeichnet, Kl Joobong (in seiner Rolle als alternder Dichter) wurde
kürzlich in Locarno für sein Schauspiel in Hongs neuestem Werk HOTEL BY THE RIVER mit dem Goldenen
Leoparden ausgezeichnet.
MALILA: THE FAREWELL FLOWER von Anucha Boonyawatana (Thailand 2017),
beschrieben als eine atemberaubende Meditation über das Leben, das Sterben und
die Erinnerung.
WE, THE DEAD (Malaysia 2017) von Edmund Yeo. Eine
junge Frau möchte nach Taiwan, aus Myanmar flüchtete Rohingya scheinen ihr eine
gute Gelegenheit zu bieten, als Schlepperin an das nötige Geld dafür zu kommen.
Doch das Elend der Flüchtlinge an der thailändisch-malayischen Grenze lässt sie
nicht so kalt, wie sie sich es gewünscht hätte. Edmund Yeo zeigt in seinem
Drama die Komplizenschaft Malaysias beim Exodus an den Rohingya auf.
THE PLUTO MOMENT (China 2018) von Zhang Ming über eine Reise von
Filmemachern in die chinesische Provinz, in der sie auf allerlei
Schwierigkeiten stoßen.
Meine erste Wahl mal zwei:
BUENOS AIRES AL PACIFICO (Argentinien 2018) von Mariano Donoso. Ein Filmessay,
in dem die Geschichte der titelgebenden Bahngesellschaft wie in einem Traum aufgearbeitet
wird.
THE IMAGE YOU MISSED (Irland 2018), sehr persönlicher Essayfilm
von Dónal Foreman, in dem er das Erbe seines Vaters, des Dokumentarfilmers
Arthur MacCaig, aber auch seine niemals wirklich vorhandene Beziehung zu ihm, aufarbeitet.
Doch der Film ist mehr als ein filmischer Dialog zwischen Vater und Sohn, er
erinnert auch an den Nordirlandkonflikt und die IRA. Die Irish Times hat sich sehr ausführlich
mit THE IMAGE YOU MISSED auseinandergesetzt.
(Regina Nickelsen für das Filmteam Colón)